Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Rechtsanwaltsverschulden durch Einreichung des Verfahrenskostenhilfegesuchs für das Beschwerdeverfahren beim nach dem neuen Verfahrensrecht unzuständigen Gericht

 

Normenkette

FamFG § 63 Abs. 1, § 64 Abs. 1 S. 2 Fassung: 2012-12-05, § 113 Abs. 1; ZPO § 85 Abs. 2, § 233

 

Verfahrensgang

AG Ludwigshafen (Beschluss vom 29.04.2013; Aktenzeichen 5e F 195/11)

 

Gründe

Die Anträge der Antragsgegnerin, ihr zur Durchführung der beabsichtigten Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 29.4.2013 Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beantragung der Verfahrenskostenhilfe werden abgewiesen.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Mit dem angefochtenen Verbundbeschluss, der der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 10.5.2013 zugestellt worden ist, wurde die Ehe der Beteiligten geschieden; zugleich wurde festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Mit Schriftsatz vom 10.6.2013, per Fax beim Pfälzischen OLG Zweibrücken eingegangen am selben Tag um 16:58 Uhr, beantragte die Antragstellerin die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die beabsichtigte Beschwerde. Mit Schriftsatz vom 20.6.2013, per Fax beim Pfälzischen OLG Zweibrücken eingegangen am 21.6.2013, beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Frist zur Beantragung von Verfahrenkostenhilfe; Wiedereinsetzungsantrag und der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wurden am selben Tag auch an das AG - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein gefaxt.

In § 64 Abs. 1 S. 2 FamFG ist seit der Neufassung, gültig seit 1.1.2013, klargestellt, dass ein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde bei dem Gericht einzulegen ist, dessen Beschluss angefochten werden soll. Mit dieser Neufassung des Gesetzes wurde die frühere Streitfrage, wo das Verfahrenskostenhilfegesuch einzureichen ist, beendet.

Weil das Verfahrenskostenhilfegesuch erst am 21.6.2013 bei dem zuständigen AG eingegangen ist, war die Frist versäumt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist ist zwar form- und fristgerecht gestellt; auch wurde die versäumte Rechtshandlung nachgeholt. Er ist jedoch unbegründet. Die Antragsgegnerin war nicht gem. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 233 ZPO ohne ihr Verschulden gehindert, die Frist zur Einreichung des Antrags auf Bewilligung von Verfahrenkostenhilfe einzuhalten. Sie muss sich insoweit nach § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden ihrer Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen. Die behauptete Unkenntnis ihrer Verfahrensbevollmächtigten von der Neuregelung des § 64 FamFG vermag die Antragsgegnerin nicht zu entlasten.

An die Kenntnis eines Rechtsanwalts hinsichtlich des maßgeblichen Verfahrensrechts sind strenge Anforderungen zu stellen. Er muss sich über den aktuellen Stand der Rechtsprechung anhand einschlägiger Literatur informieren. Soweit das Verfahrensrecht auslegungsbedürftig ist, muss er die von einem juristischen Fachmann bei Anlegung eines strengen Maßstabs zu fordernde Sorgfalt aufwenden, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen (vgl. Toussaint in MüKo 4. Aufl. 2013, § 85 ZPO Rz. 21). Dies gilt erst recht hinsichtlich des aktuellen Standes der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften.

Seit In-Kraft-Treten des FamFG war streitig, bei welchem Gericht ein Verfahrenskostenhilfegesuch für eine beabsichtigte Beschwerde einzureichen ist. Die Rechtsprechung der OLG war hierzu uneinheitlich. Schon vor diesem Hintergrund hätte es intensiver Nachforschungen seitens der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin bedurft, um den aktuellen Meinungsstand zu erforschen und eine mittlerweile eventuell ergangene Entscheidung des zuständigen OLG oder gar des BGH beachten zu können. Im Rahmen einer solchen Recherche hätte der Verfahrensbevollmächtigten die Neufassung des § 64 FamFG auffallen müssen, die bei Ablauf der Frist bereits seit über fünf Monaten in Kraft getreten war.

Das Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin war auch kausal für das Fristversäumnis. Zwar ist das Gericht, das zur Entgegennahme des Verfahrenskostenhilfegesuchs nicht zuständig ist, zur unverzüglichen Weiterleitung an das zuständige Gericht verpflichtet; es hat den Schriftsatz jedoch nur in den normalen Postlauf zu geben. Vor diesem Hintergrund war hier eine rechtzeitige Weiterleitung an das zuständige Gericht nicht möglich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 6338685

FamRZ 2014, 232

FamFR 2013, 498

NJW-Spezial 2013, 742

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?