Leitsatz (amtlich)
Der Umstand, dass ein im privaten Eigentum stehende und als Privatparkplatz gekennzeichnete Verkehrsfläche aufgrund eines Defektes an der Schrankenanlage "faktisch für die Öffentlichkeit zugänglich" ist und dies vom Verfügungsberechtigten geduldet wird, genügt zur Begründung der für eine Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) erforderliche Öffentlichkeit der Verkehrsfläche insbesondre dann nicht, wenn die einzelnen Stellplätze vermietet sind.
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter vom 18. Juli 2019 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort mit einer Geldstrafe belegt, ihr die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von fünf Monaten angeordnet. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten (Sprung-)Revision. Das zulässige Rechtsmittel ist begründet und führt zu einem (vorläufigen) Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts stieß die Angeklagte am 9. Oktober 2018 mit einem von ihr geführten PKW auf dem Parkplatz ... in Neustadt gegen ein anderes Kraftfahrzeug, wodurch sie einen Fremdschaden in Höhe von 3.632,62 EUR verursachte. Obwohl sie den Unfall bemerkt hatte, verließ sie die Unfallstelle, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ihrer Person zu ermöglichen. Zur Nutzung des Parkplatzes hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Der Parkplatz steht im Eigentum des Zeugen W. M. Die Berechtigung zum Abstellen eines Fahrzeuges auf dem Parkplatz bedingt den Abschluss eines Mietvertrages mit dem Zeugen M. Nach Abschluss des Mietvertrages erhält der Mieter einen festen Parkplatz zugewiesen. Die Ein- und Ausfahrt ist grundsätzlich nur durch das Passieren einer Schrankenanlage möglich. Die Mieter erhalten zum Öffnen der Schranke eine elektronische Karte. Der Parkplatz ist durch eine entsprechende Beschilderung als Privatparkplatz gekennzeichnet.
Die Angeklagte war seit Juli 2017 Mieterin eines Stellplatzes auf dem vorbezeichneten Parkplatz. In der Folgezeit waren die Schranken des Öfteren defekt und standen dann bis zur jeweiligen Reparatur offen. Seit circa Juni 2018 bis Juli 2019 war die Schrankenanlage dauerhaft defekt und dauerhaft geöffnet. Auch zum Tatzeitpunkt standen die Schranken oben, sodass der Parkplatz frei zugänglich war und auch von Personen genutzt wurde, welche keinen Mietvertrag besaßen. Im Juli 2019 wurde die Schrankanlage abgebaut."
Die Angeklagte, die das Unfallgeschehen eingeräumt hat, hat sich dahingehend eingelassen, sie sei davon ausgegangen, dass es sich bei dem Parkplatz um einen nichtöffentlichen Verkehrsraum gehandelt habe. Das Amtsgericht hat die Öffentlichkeit des Parkplatzes bejaht, weil der Verfügungsberechtigte Zeuge M. zwar eine anderweitige Zweckbestimmung getroffen, tatsächlich aber nicht verhindert gehabt habe, dass auch die Allgemeinheit den Parkplatz habe befahren können. Ein Tatbestandsirrtum auf Seiten der Angeklagten liege nicht vor, weil diese erkannt gehabt habe, dass die Schranke zum Tatzeitpunkt defekt gewesen war und offenstand und der Parkplatz damit für jedermann offen zugänglich gewesen sei.
II.
Das Amtsgericht hat seine Annahme, das Unfallgeschehen habe sich im öffentlichen Straßenverkehr i.S.d. § 142 StGB ereignet, nicht rechtsfehlerfrei begründet. Allein der Umstand, dass der Grundstückseigentümer nicht "tatsächlich" verhindert hat, dass auch die Allgemeinheit den Parkplatz befahren konnte, reicht zur Begründung der Öffentlichkeit der Verkehrsfläche hier nicht aus.
1.
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verkehrsraum dann öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird. Erfasst werden demnach nicht nur Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmet sind, sondern auch solche, deren Benutzung durch eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmte größere Personengruppe ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund oder auf eine verwaltungsrechtliche Widmung durch den Berechtigten ausdrücklich oder faktisch zugelassen wird (BGH, Urteil vom 04.03.2004 - 4 StR 377/03, juris Rn. 7 = BGHSt 49, 128; OLG Hamm, Beschluss vom 04.03.2008 - 2 Ss 33/08, NZV 2008, 257 f.; Blum, SVR 2012, 365, 366, jew. m.w.N.). Dem Schutzzweck der Vorschrift (Sicherheit des Straßenverkehrs) entsprechend sind "öffentlich" darüber hinaus aber auch diejenigen Verkehrsflächen, bei denen ohne Rücksicht auf eine förmliche (wegerechtliche) Widmung und ungeachtet der Eigentumsverhältnisse allein auf Grund ausdrücklicher oder nur stillschweigender Dul...