Leitsatz (amtlich)
Die frühere Rspr., wonach es in einer Kindschaftssache i.d.R. der Beiordnung eines Rechtsanwalts für das klagende Kind nicht bedarf, wenn dessen Interessen etwa im Rahmen einer Amtspflegschaft durch das Jugendamt wahrgenommen werden, gilt auch für die Möglichkeit einer (freiwilligen) Beistandschaft. Mit Blick auf die vorhandenen Spezialkenntnisse des Jugendamts ist nämlich die Interessenwahrung des Kindes ebenso effektiv wie im Fall der Vertretung durch einen Rechtsanwalt gewährleistet.
Wird die Gegenseite durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist dem Gebot der Waffengleichheit allerdings dadurch Rechnung zu tragen, dass beim Auftreten besonderer prozessualer bzw. materiell-rechtlicher Probleme die nachträgliche Beiordnung eines Rechtsanwalts geboten ist.
Normenkette
ZPO §§ 114, 121 Abs. 2; BGB § 1712 ff., § 1706 ff. a.F.
Verfahrensgang
AG Bad Dürkheim (Beschluss vom 09.05.2003; Aktenzeichen 1 F 45/03) |
Tenor
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat für das Beschwerdeverfahren eine Gerichtsgebühr i.H.v. 25 Euro zu tragen; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Beklagte ihr Vater ist. Der anwaltlich vertretene Beklagte bestreitet dies und wendet Mehrverkehr ein. Das FamG hat der Klägerin zur Durchführung des Verfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt, die Beiordnung des von ihr ausgewählten und zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalts jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass dies mutwillig erscheine, weil die (kostengünstigere) Möglichkeit der Beistandschaft durch das Jugendamt bestehe.
Mit ihrer Beschwerde verweist die Klägerin auf den Grundsatz der Waffengleichheit. Außerdem habe sie den Rechtsanwalt schon mit der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den Kindsvater mandatiert, so dass dessen Beiordnung auch aus Gründen der Prozessökonomie sinnvoll erscheine.
II. Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO gegen die Ablehnung der Beiordnung des Rechtsanwalts statthafte sofortige Beschwerde, über die der Senat gem. § 568 S. 2 ZPO in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgesehenen Besetzung entscheidet, ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei (§§ 127 Abs. 2 S. 3, 567, 569 ZPO), bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Der Senat teilt die Auffassung des FamG, wonach es mit Blick auf die Möglichkeit einer Beistandschaft durch das Jugendamt jedenfalls derzeit keiner Beiordnung eines Rechtsanwalts bedarf, insb. eine solche aus Gründen der Waffengleichheit nicht geboten ist, § 121 Abs. 2 ZPO.
1. Zwar wird in Rspr. und Lit. die Auffassung vertreten, dass in Kindschaftssachen – wie hier Feststellung der Vaterschaft – die Beiordnung eines Rechtsanwalts grundsätzlich erforderlich sei (vgl. etwa: OLG Dresden FamRZ 1999, 600; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 121 Rz. 35, jew. m.w.N.). Ob dem zu folgen wäre oder ob immer auf den jeweiligen Einzelfall abgestellt werden muss (vgl. OLG Bamberg v. 24.7.1996 – 2 W 9/96, FamRZ 1997, 377 [378]; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 121 Rz. 5; Musielak/Fischer, ZPO, 3. Aufl., § 121 Rz. 13), braucht unter den besonderen Umständen dieses Falles nicht entschieden zu werden. Auch von der einleitend angeführten Auffassung sind nämlich gerade dann Ausnahmen anerkannt, wenn die Interessen des antragstellenden Kindes durch das Jugendamt wahrgenommen werden (vgl. OLG Karlsruhe v. 7.6.1984 – 11 W 59/84, OLGZ 1984, 451 [453]; OLG Dresden FamRZ 1999, 600; Baumbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 121 Rz. 35 – Abstammungsprozess; Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 121 Rz. 6; Kalthoener/Büttner/Wrobel/Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl., Rz. 547). Der 6. Zivilsenat des Pfälzischen OLG hat in diesem Zusammenhang bereits 1980 entschieden, dass in einer Kindschaftssache i.d.R. die Beiordnung eines Rechtsanwalts für das klagende Kind nicht erforderlich ist, wenn ein Jugendamt zum Pfleger des Kindes bestellt ist (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 10.12.1980 – 6 W 6/80, Rpfleger 1981, 205). Auf den danach maßgeblichen Gesichtspunkt einer hinreichenden Hilfeleistung durch das zuständige Jugendamt ist auch hier abzustellen.
a) Die Klägerin wird zwar bislang durch das Jugendamt nicht vertreten, da es an einem entspr. Antrag fehlt. Durch das Beistandschaftsgesetz vom 4.12.1997 (BGBl. I, 2846) ist die frühere Amtspflegschaft (§§ 1706 ff. a.F.) zu einer freiwilligen Beistandschaft geändert worden, deren Eintritt nunmehr einen entspr. Antrag der gesetzlichen Vertreterin der Klägerin voraussetzt (§§ 1712, 1713, 1714 BGB). Wenn die Mutter – wie hier geschehen – einen entspr. Antrag nicht stellt, sondern sogleich einen Rechtsanwalt mit der Wahrung der Interessen des Kindes beauftragt, ist dies kein Grund, von der Verweisung auf die Möglichkeit einer grundsätzlich kostenfreien (vgl. dazu: Staudinger/Rauscher, 2000, § 1716 Rz. 13) Beistandschaft abzusehen. Dazu hat das FamG zu Recht auf bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigende fiskalische Gründe hingewiesen (vgl. Bau...