Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachliche Zuständigkeit des Beschwerdegerichts bei Insolvenzverfahren mit Auslandsbezug
Leitsatz (amtlich)
Das LG bleibt in Beschwerdeverfahren nach der Insolvenzordnung auch dann sachlich zuständig, wenn eine ausländische Gläubigerin beteiligt ist.
Normenkette
GVG §§ 72, 119 Abs. 1 Nr. 1b
Verfahrensgang
LG Zweibrücken (Aktenzeichen 4 T 175/07) |
AG Zweibrücken (Aktenzeichen IK 53/06) |
Tenor
Das Verfahren wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung über die Beschwerde an das LG Zweibrücken zurückgegeben.
Gründe
I. Der Schuldner hat bei dem AG Zweibrücken die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens beantragt. Diesem Antrag hat das AG mit Beschluss vom 12.5.2006 wegen Zahlungsunfähigkeit stattgegeben und den Treuhänder bestellt. Die in Frankreich ansässige Gläubigerin hat beantragt, die Restschuldbefreiung zu versagen. Gegen die mit Beschluss vom 17.7.2007 erfolgte Zurückweisung des Antrages hat die Gläubigerin sofortige Beschwerde eingelegt. Das LG hat das Verfahren dem Senat unter Hinweis auf § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG zur Entscheidung vorgelegt.
Das OLG Zweibrücken ist für die Entscheidung über das Rechtsmittel sachlich nicht zuständig. Denn die Ausnahmeregelung des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG findet trotz Beteiligung einer ausländischen Gläubigerin in einem Verfahren nach der Insolvenzordnung keine Anwendung. Vielmehr bleibt es bei der sachlichen Zuständigkeit des LG als Beschwerdegericht, § 72 GVG.
Es kann dahinstehen, ob bereits der Wortlaut des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG eine Anwendung für das Insolvenzverfahren ausschließt, indem er auf "Streitigkeiten über Ansprüche" abstellt, während Inhalt des Insolvenzverfahrens die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung durch eine möglichst gerechte Verteilung des aus dem Schuldnervermögen herrührenden Erlöses ist, § 1 InsO. Denn die Vorschrift vermag aus den im Folgenden dargelegten Gründen die Zuständigkeit des OLG in Insolvenzverfahren nicht zu begründen. Die nach § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG begründete Sonderzuständigkeit der OLG für Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der AG wurde durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27.7.2001 mit der Begründung eingeführt, in Sachen mit Auslandsbezug bestehe ein großes Bedürfnis nach Rechtssicherheit durch eine obergerichtliche Rechtsprechung. In den von § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG erfassten Fallkonstellationen, in denen um Ansprüche gestritten wird, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in dieser Instanz außerhalb des Geltungsbereiches des GVG hatte, hat der Gesetzgeber den Grund für die Sonderzuständigkeit der OLG darin gesehen, dass in derartigen Fällen das Gericht regelmäßig die Bestimmungen des internationalen Privatrechts anzuwenden habe, um zu entscheiden, welches materielle Recht es seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Deutsches Bundestages vom 15.5.2001, BT-Drucks. 14/6036, Seite 116, 119).
Diese Überlegungen greifen nach der Rechtsprechung des BGH und der OLG nicht ein, wenn das AG im Rahmen eines Zwangsvollstreckungs- oder Zwangsversteigerungsverfahren tätig wird (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 19.3.2004 - IXa ZB 23/03, zit. nach Juris; BGH RPfleger 2007, 210; OLG Oldenburg NJW-RR 2004, 499; OLG Stuttgart MDR 2005, 1253; inzwischen aufgegebene gegenteilige Auffassung OLG Köln OLGR 2004, 293, vgl. OLG Köln ZIP 2007, 2097). Denn dieses hat bei der Anordnung von Vollstreckungsverfahren nach dem "lex fori"-Prinzip ausschließlich deutsches Recht anzuwenden. Deshalb geht es dort gerade nicht um Fallgestaltungen, in denen regelmäßig und typischerweise unter Anwendung der Bestimmungen des internationalen Privatrechts und Prozessrechts zu entscheiden ist, welches nationale Recht heranzuziehen und wie es ggf. zu handhaben ist. Dass auch in solchen Fällen ausnahmsweise aus der Auslandsberührung rechtliche Probleme entstehen können (etwa aus der Parteifähigkeit oder der Frage, wo eine zu pfändende Forderung belegen ist), reicht nicht aus, um die Anwendung des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG zu begründen. Die Zuständigkeit des LG wird aus den gleichen Erwägungen auch bejaht für - vor dem 1.7.2007 anhängige - Wohnungseigentumsverfahren und in Nachlassverfahren (vgl. OLG Düsseldorf MDR 2007, 331 und NJW 2006, 1143; OLG Stuttgart NJW 2006, 1144; OLG München OLGR 2007, 829; für das Nachlassverfahren: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.8.2007 - 3 Wx 155/07, zitiert nach Juris).
Diese einschränkende Auslegung des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG ist auch im Hinblick auf die aktuellen Gesetzesvorhaben geboten. Im Anschluss an die zitierte Rechtsprechung wird dies für das Wohnungseigentumsverfahren nunmehr durch die Neufassung des WEG in der Weise geklärt, dass die Zuständigkeitsregelung des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG bei Beschwerden nicht angewandt wird (vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 26.3.2007 zur Neufassung des § 72 Abs. 2 GVG). Für das FG-Verfahren sieht der Entwurf der Bundesregierung zur Refor...