Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Entscheidung über das Gesuch einer Staatsanwaltschaft auf Übersendung einer Betreuungsakte handelt es sich um einen im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG überprüfbaren Justizverwaltungsakt.(Rn. 5)

2. Die Übermittlung der gerichtlichen Akten eines Betreuungsverfahrens auf Ersuchen einer Staatsanwaltschaft in einem bei ihr anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die betreute Person im Wege der Amtshilfe setzt aufgrund des Gesetzesvorbehalts für Grundrechtseingriffe eine einfach-gesetzlichen Vorschrift für das Amtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft und für eine dem Ersuchen stattgebende Entscheidung des ersuchten Gerichts voraus.(Rn. 6)

3. Die Übermittlung einer Betreuungsakte im Rahmen der Amtshilfe an eine ersuchende Staatsanwaltschaft kommt mangels spezialgesetzlicher Bestimmungen nur im Rahmen der durch die maßgeblichen datenschutzrechtlichen Vorschriften gezogenen Grenzen in Betracht.(Rn. 6)

4. Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt die ersuchende öffentliche Stelle, während der ersuchten Stelle regelmäßig die Prüfung zukommt, ob das Ersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt, § 5 Abs. 1 S. 2, 3 LDSG-RLP.(Rn. 7)

5. Liegt ein besonderer Prüfungsanlass vor, ist die ersuchte Justizbehörde verpflichtet, eine eigene Prüfung der materiellen Zulässigkeit der Übersendung der angeforderten Akte vorzunehmen, § 5 Abs. 1 S. 4 LDSG-RLP.(Rn. 7)

6. Im Hinblick auf die Sensibilität der in Betreuungsakten in der Regel enthaltenen Daten ist ein derartiger besonderer Prüfungsanlass regelmäßig schon deshalb gegeben, weil mit der Aktenübermittlung ein gewichtiger Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Person auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten einhergeht.(Rn. 7)

 

Tenor

1. Die als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG auszulegende Beschwerde der Antragstellerin vom 11. August 2022 wird zurückgewiesen.

2. Der Wert für das Verfahren wird auf 5 000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin, die Staatsanwaltschaft ... (nachstehend: Staatsanwaltschaft), wendet sich gegen die Ablehnung der ersuchten Einsicht in die Akte eines bei der Antragsgegnerin, dem Amtsgericht ... (nachstehend: Amtsgericht) geführten Betreuungsverfahrens.

Mit Schreiben vom 27. April 2022 bat die Staatsanwaltschaft um Übersendung der Betreuungsakte zur Einsichtnahme. Zur Begründung verwies sie auf ein Ermittlungsverfahren, das gegen den in Haft befindlichen Betreuten geführt werde. Eine Einwilligung des Betreuten in die Einsichtnahme wurde nicht erteilt. Die weitere aufsichtsführende Richterin des Amtsgerichts - der mit Organisationsverfügung des Direktors des Amtsgerichts vom 21. April 2022 die Entscheidungen über Akteneinsichtsgesuche, soweit sie die Justizverwaltung betreffen, übertragen worden waren - wies die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 27. Mai 2022 darauf hin, dass es der Darlegung konkreter Gründe bedürfe, die im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen die Einsichtnahme rechtfertigten. Die Staatsanwaltschaft verwies mit Schreiben vom 7. Juni 2022 im Wesentlichen darauf, dass die Frage einer vorläufigen Unterbringung des Betreuten zu beantworten sei. Ohne Erkenntnisse aus der Betreuungsakte könne sie der ihr obliegenden Fürsorgepflicht nicht angemessen Rechnung tragen. Mit Verfügung vom 5. August 2022 lehnte die weitere aufsichtsführende Richterin das Ersuchen der Staatsanwaltschaft ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, das schutzwürdige Interesse des Betreuten an der Geheimhaltung seiner persönlichen Daten überwiege das mit der Akteneinsicht verfolgte Informationsinteresse der Staatsanwaltschaft. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern nur aus der Betreuungsakte erfahrbare Informationen gegeben seien, nachdem ohnehin im Ermittlungsverfahren für die Frage der vorläufigen Unterbringung ein Gutachten eingeholt werden müsse. Auch sei nicht erkennbar, dass sich aus der Betreuungsakte Erkenntnisse zur Frage der Schuldfähigkeit gewinnen ließen.

Gegen die Versagung der Akteneinsicht wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer "Beschwerde" vom 11. August 2022. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben der Staatsanwaltschaft sowie die Verfügungen des Amtsgerichts vollinhaltlich Bezug genommen.

II. 1. Das Amtsgericht hat das Begehren der Staatsanwaltschaft zutreffend als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG ausgelegt.

1.1. Der Antrag ist nach § 23 Abs. 1 EGGVG statthaft. Der von einer nicht am Verfahren beteiligten Behörde gestellte Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht in ein Verfahren, das der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegt, stellt sich als Amtshilfeersuchen gemäß Art. 35 Abs. 1 GG dar. Die Entscheidung über die Gewährung der Akteneinsicht bzw. die Übersendung der Akten trifft in der Regel der Vorstand die Justizverwaltungsbehörde, nämlich der Vorstand des Gerichts; wobei dieser, wie vorliegend, die Entscheidungsbefugnis übertragen kann. Bei der Entscheidung über das Gesuch handel...

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