Leitsatz (amtlich)
Vollstreckbar ist auch ein Vergleich, wonach sich die Parteien „darüber einig” sind, dass ein bestimmter Unterhaltsbetrag geschuldet wird, jedoch hiervon geleistete Zahlungen, die nicht näher beziffert werden, abzuziehen seien. Weil die Frage umstritten ist, kann dennoch für eine neue Klage aus dem Vergleich Prozesskostenhilfe bewilligt werden; dies setzt aber grundsätzlich voraus, dass eine Vollstreckung aus dem Vergleich versucht worden ist.
Normenkette
ZPO §§ 704, 114
Verfahrensgang
AG Ludwigshafen (Aktenzeichen 5b F 11/02) |
Tenor
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe zur Klage aus einem mit dem Antragsgegner abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich. Das FamG hat die Bewilligung abgelehnt, weil aus dem Vergleich vollstreckt werden könne. Die Antragstellerin ist der Auffassung, es bestehe ein Titulierungsinteresse, weil der Vergleich nicht vollstreckungsfähig sei. Der von den Parteien am 6.7.2000 beim AG Ludwigshafen am Rhein (5b F 187/00) geschlossene Vergleich hat – soweit es hier von Interesse ist – folgenden Wortlaut:
„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kläger (nunmehr: Antragsgegner) für den Zeitraum Juli 1998 bis einschließlich Juni 2000 der Beklagten (nunmehr: Antragstellerin) einen monatlichen Kindesunterhalt von 304 DM schuldet.
Die Parteien sind sich weiterhin darüber einig, dass vom Kläger für diesen Zeitraum geleistete Unterhaltszahlungen in Anrechnung zu bringen sind.
…”
Die Beschwerdeführerin hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, ein Versuch der Vollstreckung aus dem Vergleich sei nicht unternommen worden wegen dessen nicht vollstreckungsfähigen Inhalts; weil zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch Unklarheit über die geleisteten Unterhaltszahlungen bestanden habe, sei lediglich eine Zahlung vereinbart worden, ohne die Verpflichtung zu einer bestimmten Zahllast auszubedingen.
Die zulässige, insb. fristgerecht (§ 127 Abs. 2 ZPO) eingelegte Beschwerde, über die der Senat gem. § 568 S. 2 ZPO in der im GVG vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Senat ist mit dem Erstrichter der Auffassung, dass der hier geschlossene Vergleich vollstreckungsfähig ist, so dass es an einem Rechtsschutzbedürfnis und damit an den Erfolgsaussichten (§ 114 ZPO) für eine auf dieselbe Leistung gerichtete Klage jedenfalls zurzeit fehlt.
Die Vollstreckungsfähigkeit wird zunächst nicht in Frage gestellt durch die Fassung des ersten Absatzes des oben wiedergegebenen Textes, der ohne weiteres dahin auszulegen ist, dass sich der damalige Kläger zur Zahlung der dort genannten Unterhaltsbeträge unmittelbar verpflichten wollte. Bei der Feststellung, ob der Schuldner etwas leisten muss, darf nicht kleinlich am Wortlaut festgehalten werden, wenn Sinn und Zusammenhang des Vergleichstextes die dahin gehende Pflicht ergeben. Eine insoweit kleinliche Auslegung würde dem regelmäßig im Vergleichsabschluss zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien zuwiderlaufen, den Rechtsstreit durch Schaffung eines vollstreckungsfähigen Titels endgültig beizulegen (LAG Düsseldorf JurBüro 1988, 1738; Thomas/Putzo, 24. Aufl., vor § 704 ZPO Rz. 22; MünchKomm/ZPO, § 794 Rz. 94 ZPO Fn. 223).
Ebenso wie eine Formulierung, wonach sich der Schuldner zu einer bestimmten Zahlung „verpflichtet” (hierzu LAG Düsseldorf JurBüro 1988, 1738), ergibt danach auch der hier gewählte Vergleichswortlaut, wonach sich die Parteien darüber einig sind, dass der (damalige) Kläger Kindesunterhalt in bestimmter Höhe schuldet, einen unmittelbaren Leistungsbefehl. Mögliche abweichende Vorstellungen der Parteien, wie sie im Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 11.6.2002 behauptet werden, hätten in den allein maßgeblichen Vergleichsinhalt (vgl. nur Thomas/Putzo, 24. Aufl., vor § 704 ZPO Rz. 22; Zöller, 23. Aufl., § 794 ZPO Rz. 14a) keinen Eingang gefunden.
Auch die im anschließenden Absatz vorgesehene Verrechnungsklausel für schon geleistete Unterhaltszahlungen führt i.E. nicht zu durchgreifenden Bedenken. Der Senat selbst hat in jahrelanger Übung eine Vielzahl von Vergleichen mit derartigen Verrechnungsbestimmungen protokolliert.
Die Frage, ob eine solche Vereinbarung zu einer der Vollstreckung entgegenstehenden Unbestimmtheit des so eingeschränkten Titels führt, ist – soweit ersichtlich – in Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung bisher nur wenig behandelt worden. Allerdings hat der 6. Zivilsenat des Pfälzischen OLG Zweibrücken (OLG Zweibrücken v. 18.2.2002 – 6 UF 2/02, OLGReport Zweibrücken 2002, 307 = MDR 2002, 541) kürzlich die Auffassung vertreten, dass eine Anrechnungsklausel im Entscheidungssatz eines Urteils dazu führe, dass der Titel unbestimmt und nicht vollstreckungsfähig sei. Der zu vollstreckende Zahlungsanspruch könne damit nicht mehr ohne weiteres errechnet werden; auf außerhalb des Titels liegende Schriftstücke wie insb. Überweisungsbelege oder gar privatschriftliche Zahlungsaufstellungen der Parteien...