Verfahrensgang

AG Zweibrücken (Entscheidung vom 26.01.2021; Aktenzeichen 1 Gs 112/21)

 

Tenor

  1. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Zweibrücken vom 26.01.2021 (Az.: 1 Gs 112/21) wird aufgehoben.
  2. Die Haftbeschwerde wird damit gegenstandslos.
 

Gründe

I.

Der Angeklagte befindet sich seit 10.02.2021 aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Zweibrücken vom 26.01.2021 (Az.: 1 Gs 112/21) in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Zweibrücken hat gegen den Angeklagten unter dem 17.04.2021 Anklage erhoben. Das Landgericht Zweibrücken hat mit Beschluss vom 19.07.2021 die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen. Die Vorsitzende hat sieben Termine zur Hauptverhandlung ab dem 13.10.2021 bestimmt. Die geplante Durchführung der Hauptverhandlung erstreckt sich über einen Zeitraum von sieben Wochen. Zur Begründung der Terminierung hat die Vorsitzende auf die Terminslage der Kammer verwiesen und auf den auf ihre Überlastungsanzeige ergangenen Beschluss des Präsidiums des Landgerichts vom 03.05.2021 Bezug genommen.

Der Angeklagte hat Haftbeschwerde eingelegt. Die Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hält die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich. Sie hat die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Beschwerde sowie den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft vorgelegt (§ 122 Abs. 1 StPO).

II.

Die Aufhebung des Haftbefehls ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (§ 120 Abs. 1 StPO) geboten, weil das in Haftsachen geltende Beschleunigungsgebot nicht hinreichend beachtet worden ist.

Die Fortdauer der Untersuchungshaft erweist sich infolge vermeidbarer, dem Angeklagten nicht zuzurechnender Verfahrensverzögerungen, die mit seinem u a. im Rechtsstaatsprinzip verankerten Anspruch auf eine beschleunigte Aburteilung nicht mehr vereinbar sind, als unverhältnismäßig.

1. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann die Freiheit der Person und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185, 190; 109, 133, 157; 128, 326, 372; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvR 1275/16 -, juris, Rn. 39; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. August 2017 - 2 BvR 2039/16 -, juris, Rn. 39; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Juni 2018 - 2 BvR 631/18 -, juris, Rn. 30; Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, juris, Rn. 52).

Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180, 219; 45, 187, 223; 58, 208, 224 f.); zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung der Freiheit der Person bestimmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvR 1275/16 -, juris, Rn. 40; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. August 2017 - 2 BvR 2039/16 -, juris, Rn. 40; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Juni 2018 - 2 BvR 631/18 -, juris, Rn. 31; Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, juris, Rn. 53).

a) Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist daher stets das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Grundsätzlich darf nur einem rechtskräftig Verurteilten die Freiheit entzogen werden. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342, 347; 74, 358, 370 f.), nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGE 19, 342, 347; 20, 45, 49 f.; 36, 264, 270; 53, 152, 158 f.; BVerfGK 15, 474, 479; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 32; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juli 2014 - 2 BvR 1457/14 -, juris, Rn. 19; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Se...

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