Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts bei Vertretung mehrerer Streitgenossen
Leitsatz (amtlich)
Vertritt ein Anwalt mehrere Streitgenossen und ist einem von ihnen ohne Einschränkung Prozesskostenhilfe bewilligt, so ist der Vergütungsanspruch des beigeordneten Anwalts gegen die Staatskasse nicht auf den Mehrvertretungszuschlag nach § 6 Abs. 1 BRAGO beschränkt; es ist die volle Vergütung nach § 123 BRAGO zu zahlen, soweit diese den Anteil nicht übersteigt, der im Innenverhältnis der Streitgenossen auf die bedürftige Partei entfällt.
Normenkette
BRAGO §§ 6, 122
Verfahrensgang
LG Landau (Pfalz) (Beschluss vom 25.06.2003; Aktenzeichen 4 O 720/02) |
Tenor
Der Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Landau in der Pfalz vom 25.6.2003 und der Beschluss der Rechtspflegerin vom 8.5.2003 werden aufgehoben.
Die der Antragstellerin gem. § 123 BRAGO aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung wird auf 1.383,88 Euro festgesetzt.
Gründe
Das LG hat den Beklagten zu 2) und 3) Prozesskostenhilfe bewilligt und ihnen die Antragstellerin, die zugleich die Beklagte zu 1) vertreten hat, beigeordnet. Die Antragstellerin hat ihre Ansprüche auf Vergütung ggü. der Staatskasse i.H.v. 1.383,88 Euro geltend gemacht. Die Rechtspflegerin hat demgegenüber lediglich eine 6/10-Erhöhungsgebühr i.H.v. 272,14 Euro festgesetzt. Das LG hat die Erinnerung der Antragstellerin zurückgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde, über die der Senat in voller Besetzung entscheidet (§ 568 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO), hat in der Sache Erfolg.
Die Rechtspflegerin und ihr folgend das LG berufen sich auf eine Entscheidung des BGH vom 1.3.1993 (BGH, Beschl. v. 1.3.1993 – II ZR 179/91, MDR 1993, 913 = NJW 1993, 1715), wonach sich in Fällen der vorliegenden Art die dem Prozessbevollmächtigten aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf den Erhöhungsbetrag nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO beschränkt. In dem vom BGH entschiedenen Fall war allerdings die Prozesskostenhilfe von vornherein nur für diesen Erhöhungsbetrag bewilligt worden, während der hier in Rede stehende Bewilligungsbeschluss eine solche Beschränkung nicht enthält. Unabhängig davon wird die vom BGH vertretene Auffassung in Rspr. und Lit. überwiegend abgelehnt (s. etwa OLG Hamm v. 25.2.2003 – 23 W 341/02, RPfleger 2003, 447 m.N.; a.A. aus neuerer Zeit OLG Koblenz MDR 2001, 1262). Dem schließt sich der Senat an. Die Ansicht des BGH führt in der Tat zu Ergebnissen, die dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe nicht gerecht werden. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall.
Für den Beklagten zu 3) sind in dem Bewilligungsbeschluss Ratenzahlungen von monatlich 95 Euro angeordnet worden. Gemäß § 115 Abs. 3 ZPO wird Prozesskostenhilfe nicht bewilligt, wenn „die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten voraussichtlich nicht übersteigen”. Stellt man allein auf die Erhöhungsgebühr ab, hätte dem Beklagten zu 3) demnach überhaupt keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden dürfen. Die Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO käme dann nicht zum Tragen, der Beklagte zu 3) wäre dem vollen Gebührenanspruch seines Prozessbevollmächtigten ausgesetzt. Dieses Ergebnis lässt sich nur vermeiden, wenn man für die Frage, was Kosten der Prozessführung i.S.d. § 115 Abs. 3 ZPO sind, die Vorschrift des § 6 Abs. 2 BRAGO zugrunde legt, wonach jeder Streitgenosse seinem Rechtsanwalt grundsätzlich die Gebühren schuldet, die er schulden würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre. Warum dann aber für die Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung wiederum etwas gänzlich anderes gelten soll, ist nicht einzusehen. Auch dann muss es grundsätzlich bei der gem. § 6 Abs. 2 BRAGO geschuldeten vollen Vergütung verbleiben.
Zu Recht weist allerdings der BGH in seinem eingangs erwähnten Beschluss (BGH, Beschl. v. 1.3.1993 – II ZR 179/91, MDR 1993, 913 = NJW 1993, 1715 [1716]) darauf hin, dass es dem Sinn des Prozesskostenhilferechts widerspräche, wenn die vermögende Partei aus Steuermitteln finanziell dadurch entlastet würde, dass ihr Prozessbevollmächtigter zugleich eine bedürftige Partei vertritt. Die Prozesskostenhilfevergütung darf daher nicht dazu führen, dass die nicht bedürftige Partei ihrem Anwalt infolge der Leistungen der Staatskasse weniger zu zahlen hätte als den Betrag, der ihrem Anteil im Innenverhältnis entspricht.
Zur Lösung dieses Problems bietet es sich an, auf die Grundsätze zurückzugreifen, nach denen der Senat in st. Rspr. (vgl. OLG Zweibrücken v. 31.7.1987 – 7 W 47/87, RPfleger 1988, 38) den Kostenerstattungsanspruch des allein obsiegenden Streitgenossen bestimmt. Dieser kann nur verlangen, dass ihm diejenigen Kosten eines gemeinsamen Anwalts erstattet werden, die seinem Anteil im Innenverhältnis entsprechen. Folglich kann auch der Prozesskostenhilfeanwalt von der Staatskasse nur den Betrag beanspruchen, den der Mandant, dem er beigeordnet worden ist, im Innenverhältnis zum gleichzeitig vertretenen Streitgenossen zu tragen hat (ebenso OLG Köln v...