Leitsatz (amtlich)
Der Vorsitzende des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft kann nicht ohne entsprechende Willensbildung des Aufsichtsrats einen Rechtsanwalt damit beauftragen, für die AG gegen ein Urteil Berufung einzulegen, welches in einem zwischen ihr und Mitgliedern ihres Vorstandes geführten Rechtstreit ergangen ist. Die gleichwohl eingelegte Berufung ist unzulässig; der Rechtsanwalt hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, wenn er seine fehlenden Legitimation kannte.
Normenkette
AktG § 112; ZPO § 78
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 1 HKO 47/09) |
Tenor
I. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil der
1. Kammer für Handelssachen des LG Frankenthal (Pfalz) vom 1.12.2009 wird als unzulässig verworfen.
II. Die als Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten aufgetretenen Rechtsanwälte W. und Partner haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Die Verfügungsbeklagte betreibt in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft eine große Baufirma. In der Sitzung ihres Aufsichtsrats vom 26.10.2009 wurde u.a. darüber abgestimmt, ob die beiden Verfügungskläger, welche Mitglieder des 3-köpfigen Vorstandes der Verfügungsbeklagten waren, abberufen werden sollten. Bei der Abstimmung des 6-köpfigen Aufsichtsrates kam es zu einer Patt-Situation, weil die Zeugen und Aufsichtsräte B. H., B. und Dr. B. gegen die Abberufung der Verfügungskläger stimmten. Gleichwohl stellte der Aufsichtsratsvorsitzende fest, dass die 3 Zeugen ihr Stimmrecht missbräuchlich ausgeübt hätten, ihre Stimmen deshalb bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses nicht zu berücksichtigen seien und die Abberufung der Verfügungskläger als Vorstände der Verfügungsbeklagten beschlossen sei. Hintergrund war, dass von einzelnen Personen in den Organgremien der Verfügungsbeklagten den Verfügungsklägern der Vorwurf gemacht wurde, diese hätten im Rahmen der Bestrebungen der Verfügungsbeklagten, ihr Geschäftsfeld auf T. zu erweitern, gebilligt, dass der Mitarbeiter einer von der Verfügungsbeklagten beauftragten Firma den t. Bauminister durch Zahlung von 45.000 EUR bestochen habe, um den Einstieg der Verfügungsbeklagten auf dem t. Markt zu erleichtern; die Verfügungskläger stellen diesen Vorwurf in Abrede.
Die Verfügungskläger haben mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt, der Verfügungsbeklagten zu untersagen, den Widerruf ihrer Bestellung als Vorstandsmitglieder festzustellen oder zu vollziehen und sie daran zu hindern oder zu stören, ihrer Tätigkeit als Vorstandsmitglieder nachzukommen.
Gegen die antragsgemäß vom Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des LG Frankenthal (Pfalz) am 6.11.2009 erlassene einstweilige Verfügung hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt und beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben. Durch das angefochtene Urteil, auf das zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird, hat die
1. Kammer für Handelssachen des LG Frankenthal (Pfalz) die einstweilige Verfügung bestätigt.
Mit der namens der Verfügungsbeklagten eingelegten Berufung wird das Urteil in vollem Umfang bekämpft. Die Rechtsmittelbegründung rügt die Rechtsauffassung des LG, wobei im Wesentlichen das erstinstanzliche Vorbringen vertieft wird.
Für die Verfügungsbeklagte wird beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und den Antrag der Verfügungskläger auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Verfügungskläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das Rechtsmittel für unzulässig; im Übrigen verteidigen sie die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres dortigen Vorbringens.
Auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen.
II. Das Rechtsmittel ist unzulässig, weil die Verfügungsbeklagte im Berufungsverfahren nicht ordnungsgemäß durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist.
1. Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO muss sich die Partei vor den OLG durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, welcher nach § 80 ZPO einer Vollmacht bedarf. Auf Rüge ist die Vollmacht nach § 88 Abs. 2 ZPO in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (BGH, Urt. v. 7.3.2002 - VII ZR 193/01bei juris). Die Verfügungskläger haben bereits erstinstanzlich die fehlende Vollmacht des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten gerügt. Die Rüge ist berechtigt.
Die für die Verfügungsbeklagte aufgetretenen Prozessbevollmächtigten sind für das vom Senat zu prüfende Berufungsverfahren nicht wirksam mandatiert, weil sie lediglich vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Verfügungsbeklagten mit deren Vertretung im Rechtsstreit beauftragt wurden, ohne dass dazu ein entsprechender Beschluss des Aufsichtsrats vorliegt. Ihr Auftreten als anwaltliche Vertreter ist von der Verfügungsbeklagten auch nicht nachträglich i.S.v. § 89 Abs. 2 ZPO genehmigt worden.
Gemäß § 112 AktG wird die Aktiengesellschaft bei Streitigkeiten gegenüber Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich durch den Aufsichtsrat vertreten. Über die Frage, ob ...