Leitsatz (amtlich)
Ein Scheidungsverfahren, das sich durch Rücknahme des Scheidungsantrages erledigt, und ein später eingelegter neuer Scheidungsantrag, dem ein anderer Vortrag zugrunde liegt (späterer Trennungszeitpunkt), sind in der Regel gebührenrechtlich nicht dieselbe Angelegenheit.
Normenkette
RVG § 15 Abs. 5 S. 1
Verfahrensgang
AG Ludwigshafen (Beschluss vom 31.08.2016; Aktenzeichen 5d F 19/15) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Bezirksrevisorin beim LG Frankenthai (Pfalz) wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
Gründe
I. Die mit Beschluss des Familiengerichts vom 17.6.2015 im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordnete Antragstellervertreterin macht in dem hiesigen Scheidungsverfahren die Festsetzung einer aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung gem. § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG geltend.
Bereits im Jahr 2014 hatte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin in einem Verfahren gleichen Rubrums (Az. 5d F 108/14) für ihre Mandantin mit Schreiben vom 01.4.2014 einen Scheidungsantrag gestellt und darin angegeben, die Beteiligten lebten seit Dezember 2012 voneinander getrennt, nachdem die Antragstellerin in Trennungsabsicht von der Türkei nach Deutschland verzogen sei. Nachdem der in der Türkei lebende Antragsgegner mit einem undatierten Schreiben (beglaubigte Übersetzung vom 24.6.2014 auf BI. 78 der Verfahrensakte 5d F 108/14) entgegnet hatte, die Antragstellerin sei erst am 13.2.2014 nach Deutschland verzogen, um sich scheiden zu lassen, nahm die Antragstellerin ihren Scheidungsantrag zurück; ihre Bevollmächtigte erhielt in der Folge eine Verfahrenskostenhilfevergütung aus der Staatskasse.
Im hiesigen Verfahren macht die Antragstellerin im Rahmen ihres Scheidungsantrages vom 13.1.2015 geltend, sie lebe seit dem Auszug vom 13.2.2014 von dem Antragsgegner getrennt. Das Verfahren ruht derzeit aufgrund eines Versöhnungsversuches.
Mit Beschluss des AG - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 31.8.2016 wurde die der Antragstellervertreterin aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrenskostenhilfevergütung auf 413,64 EUR festgesetzt.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Bezirksrevisorin des LG Frankenthai (Pfalz) geltend, der Gebührenfestsetzung stünde die Vorschrift des § 15 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 RVG entgegen, da die Antragstellervertreterin binnen eines Zeitraums von weniger als zwei Jahren in der gleichen Angelegenheit tätig gewesen sei.
II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG), über die der Senat gem. § 568 Satz 2 ZPO in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, hat in der Sache keinen Erfolg. Die Vorschrift des § 15 Abs. 5 Satz 1 RVG steht der Gebührenfestsetzung nicht entgegen. Bei der Vertretung der Antragstellerin in dem Scheidungsverfahren vor dem AG Ludwigshafen am Rhein mit dem Az. 5d F 108/14 einerseits und dem Scheidungsverfahren 5d F 19/15 andererseits handelt es sich gebührenrechtlich um unterschiedliche Angelegenheiten.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Frage, ob von einer oder von mehreren gebührenrechtlichen Angelegenheiten auszugehen ist, nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände zu beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrages maßgebend ist. Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann (anstatt vieler BGH NJW 2011, 3167).
Dahinstehen kann insoweit die Frage, ob formal selbständige Klage- bzw. Antragsverfahren überhaupt kostenrechtlich als dieselbe Angelegenheit angesehen werden können (bejahend etwa das Thüringer Landessozialgericht, Entscheidung vom 12.1.2016, L 6 SF 1045/15 B - Juris; verneinend Schneider, NZFam 2016, 902). Jedenfalls hier gebieten es die Besonderheiten des Einzelfalles, von unterschiedlichen Angelegenheiten auszugehen, da es an einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit (hierzu Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage, § 15 RVG Rn. 9 ff) fehlt. Auch stellt die Beauftragung zum Scheidungsantrag vom 13.1.2015 kein weiteres Tätigwerden im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 1 RVG dar, sondern einen gänzlich neue n Auftrag. Das mit Antrag vom 13.1.2015 eingeleitete Scheidungsverfahren wurde nicht nur unter einem neuen Aktenzeichen (5d F 19/15) geführt, sondern auch zu einem Zeitpunkt anhängig gemacht, in dem das vormals unter dem Az. 5d F 108/14 betriebene Scheidungsverfahren nach Rücknahme des Scheidungsantrages beendet war. Bei dieser Abfolge der Ereignisse liegt nach der zutreffenden Bewertung des Erstgerichts dem neuen Scheidungsantrag ein neuer Auftrag zugrunde. Auch die Entscheidungsgrundlage hat sich maßgeblich geändert. Im Verfahren 5d F 108/14 wur...