Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung eines nicht beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
Der bedürftigen Partei ist der von ihr ausgewählte, an ihrem Wohnort ansässige aber nicht beim Prozessgericht zugelassene Rechtsanwalt jedenfalls dann beizuordnen, wenn dadurch höhere Kosten eines Verkehrsanwalts vermieden werden können.
Normenkette
ZPO § 121 Abs. 3-4
Verfahrensgang
AG Neustadt an der Weinstraße (Beschluss vom 13.03.2006; Aktenzeichen 2 F 297/05) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss und der Nichtabhilfebeschluss vom 21.3.2006 werden teilweise geändert:
Die Einschränkung "zu den Voraussetzungen eines beim AG Neustadt an der Weinstraße zugelassenen Rechtsanwalts" entfällt.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin mit Kanzleisitz in L. für den Antragsteller mit Wohnsitz am Ort ihrer Kanzlei mit Schriftsatz vom 6.12.2005 Scheidungsklage beim AG - FamG - Neustadt an der Weinstraße erhoben und beantragt, dem Antragsteller unter ihrer Beiordnung Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Mit Beschluss vom 13.3.2006 hat das FamG dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm die Beschwerdeführerin zu den Voraussetzungen eines beim AG Neustadt an der Weinstraße zugelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, mit der diese den Wegfall der eingeschränkten Beiordnung erstrebt.
II. Das Rechtsmittel, über das der Senat gem. § 568 S. 2 ZPO in seiner im Gerichtsverfassungsgesetz vorgesehenen Besetzung befindet, ist in analoger Anwendung der §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässig (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 127 Rz. 19); in der Sache hat die Beschwerde den erstrebten Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung des FamG in seinem Beschluss über die Nichtabhilfe vom 21.3.2006 kann die eingeschränkte Beiordnung eines Rechtsanwalts nur mit dessen - ausdrücklich erteilten - Einverständnis erfolgen; erteilt er dieses nicht, so ist seine Beiordnung - grundsätzlich - abzulehnen (OLG Zweibrücken v. 27.6.2001 - 2 UF 12/01, OLGReport Zweibrücken 2001, 481 = FamRZ 2002, 107).
Dem liegt zugrunde, dass die Bestimmung des § 121 Abs. 3 ZPO dem beiordnenden Gericht nicht die Befugnis verleiht, den Anspruch eines auswärtigen Rechtsanwalts auf Auslagenerstattung zu negieren (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 121 Rz. 13, m.w.N., auch zur gegenteiligen Auffassung).
2. Im vorliegenden Fall war allerdings die uneingeschränkte Beiordnung der Beschwerdeführerin als nicht beim Prozessgericht zugelassene Rechtsanwältin geboten. Weitere Kosten i.S.v. § 121 Abs. 3 ZPO waren dadurch nicht zu besorgen.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist bei der Beiordnung eines nicht bei dem Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts stets zu prüfen, ob besondere Umstände für die Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts i.S.v. § 121 Abs. 4 ZPO bestehen (BGH v. 23.6.2004 - XII ZB 61/04, MDR 2004, 1373 = BGHReport 2004, 1371 m. Anm. Schneider = NJW 2004, 2749).
Solche besonderen Umstände, die die Beiordnung der Beschwerdeführerin als Verkehrsanwältin geboten hätten, lagen hier vor.
Eine Partei, die auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, hat in der Regel einen Anspruch darauf, dass ihr im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung der von ihr ausgewählte und an ihrem Wohnort ansässige Rechtsanwalt beigeordnet wird (OLG Hamm v. 25.11.2004 - 6 WF 269/04, OLGReport Hamm 2005, 179 = MDR 2005, 538 = FamRZ 2005, 1264; BGH v. 23.6.2004 - XII ZB 61/04, MDR 2004, 1373 = BGHReport 2004, 1371 m. Anm. Schneider = NJW 2004, 2749).
Die Beiordnung der Beschwerdeführerin als Verkehrsanwältin und die Beiordnung eines am Prozessgericht in Neustadt an der Weinstraße zugelassenen Rechtsanwalts als Hauptbevollmächtigten hätte allerdings höhere Kosten verursacht als die hier in Rede stehenden Reisekosten der Beschwerdeführerin.
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Ehescheidung fünf Besprechungen des Antragstellers mit seiner Rechtsanwältin in L... erforderten, während das Scheidungsverfahren selbst in nur einem Termin beim FamG in Neustadt an der Weinstraße am 21.3.2006 abgeschlossen werden konnte (s. zu diesem Gesichtspunkt: Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 121 Rz. 12, m.w.N.).
3. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 RVG analog).
Fundstellen
Haufe-Index 1509246 |
FamRZ 2006, 1137 |
JurBüro 2006, 432 |
AGS 2006, 350 |
OLGR-West 2006, 698 |
www.judicialis.de 2006 |