Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsverteidigung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren ergibt sich für den Beklagten im Regelfall bereits deshalb, weil das Ergebnis des Rechtsstreits von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abhängt.

Eine unsubstantiierte Einrede des Mehrverkehrs der Kindesmutter durch den beklagten Mann ist im Ergebnis prozessual nicht anders zu beurteilen als ein zulässiges Bestreiten der Vaterschaft mit Nichtwissen.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 127, 640; BGB § 1600d

 

Verfahrensgang

AG Pirmasens (Beschluss vom 20.04.2005; Aktenzeichen 1 F 462/04)

 

Tenor

I. Der Beschluss des AG - FamG - Pirmasens vom 20.4.2005 wird aufgehoben.

II. Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Beklagten an das FamG zurückgegeben.

III. Das Gericht erster Instanz wird angewiesen, den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung zu versagen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gem. § 127 Abs. 2 ZPO statthaft und in zulässiger Weise eingelegt worden.

Das Rechtsmittel erzielt einen jedenfalls vorläufigen Erfolg.

Für die Prüfung der Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung des Beklagten gegen den Antrag auf Feststellung seiner Vaterschaft ist das FamG auf der Grundlage der Beschwerdeentscheidung des Senats vom 14.4.2005 (OLG Zweibrücken v. 14.4.2005 - 5 WF 42/05) zutreffend davon ausgegangen, dass hierfür ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Antragstellung des Beklagten abzustellen ist, weil die Entscheidung über seinen Antrag unangemessen lange hinausgezögert wurde und sich deshalb die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung durch das nach § 358a ZPO bereits eingeholte Sachverständigengutachten verschlechtert hatte.

Das FamG hat die Erfolgsaussicht auf der Grundlage der Klageerwiderung nunmehr deshalb verneint, weil der Beklagte lediglich unsubstantiiert den Einwand des Mehrverkehrs erhoben hat.

Dieser Auffassung vermag sich der Senat im Ergebnis nicht anzuschließen.

In Rechtsprechung und Literatur werden die Maßstäbe für das Verteidigungsvorbringen zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe ggü. einer Vaterschaftsfeststellungsklage uneinheitlich gesetzt. Eine Auffassung geht dahin, der als Vater in Anspruch genommene Beklagte habe dazu ernsthafte Zweifel an seiner Vaterschaft darzulegen (vgl. etwa OLG Nürnberg FamRZ 2004, 5 147; OLG Köln v. 20.1.2003 - 14 WF 195/02, OLGReport Köln 2003, 100 = FamRZ 2003, 1018; OLG Hamburg v. 11.2.1999 - 12 WF 13/99, FamRZ 2000, 1587). Teilweise wird vertreten, insoweit seien im Statusverfahren nur geringe Anforderungen an die Schlüssigkeit des Vortrags zu stellen (s. nur Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 114 Rz. 98, 115). Andere wollen auf die Prüfung der Erfolgsaussicht ganz verzichten, insb. dann, wenn der Rechtsstreit für den Beklagten nicht vermeidbar, weil ein Anerkenntnis ausgeschlossen ist wie im Falle der Vaterschaftsanfechtung (OLG Bamberg FamRZ 1990, 182; OLG Koblenz v. 6.6.2001 - 13 WF 330/01, OLGReport Koblenz 2001, 425 = FamRZ 2002, 1194; Musielak/Fischer, ZPO, 4. Aufl., § 114 Rz. 28; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 114 Rz. 58). Das OLG Stuttgart (OLG Stuttgart v. 12.1.2005 - 16 WF 184/04, OLGReport Stuttgart 2005, 277) stellt nach den Umständen des Einzelfalles unterschiedliche Anforderungen an die Substantiierungspflicht des Beklagten, die jedenfalls über die Behauptung einer bloß abstrakten Möglichkeit hinausgehen, dass ein anderer als Vater in Betracht kommt. Entscheidend soll es dafür auf das Maß des Einblickes in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter ankommen.

Der Senat ist der Auffassung, dass diese Einschränkungen regelmäßig nicht gerechtfertigt sind.

Nach § 114 ZPO ist - abgesehen von der Bedürftigkeit des Antragstellers - Prozesskostenhilfe bei hinreichender Erfolgsaussicht zu bewilligen, es sei denn, Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung stellen sich als mutwillig dar.

Die hinreichende Erfolgsaussicht im Vaterschaftsfeststellungsverfahren ergibt sich für den Beklagten im Regelfall bereits deshalb, weil das Ergebnis des Rechtsstreits von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abhängt. Wegen der Möglichkeit, die biologische Vaterschaft durch Gutachten nachzuweisen, kommt der Vaterschaftsvermutung des § 1600d Abs. 2 BGB nur noch für Ausnahmefälle, in denen mangels Blut- oder Gewebeproben ein Gutachten nicht eingeholt werden kann, Bedeutung zu (Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1600d Rz. 11). Es ist deshalb auch nicht gerechtfertigt, dem Beklagten für das PKH-Prüfungsverfahren die Darlegungslast aufzubürden, diese Vermutung zu widerlegen (so aber etwa OLG Köln v. 20.1.2003 - 14 WF 195/02, OLGReport Köln 2003, 100). Die Möglichkeit einer antizipierten Beweiswürdigung im Rahme des Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahrens (dazu etwa OLG Nürnberg FamRZ 2004, 5 147) ist im Feststellungsverfahren regelmäßig nicht geeignet, das Ergebnis des Sachver...

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