Leitsatz (amtlich)

Zur Ablehnung eines Antrags auf Einholung des Gutachtens eines forensisch-psychiatrischen Sachverständigen als völlig ungeeignetes Beweismittel aufgrund eigener Sachkunde des Gerichts bei Vorliegen einer Mischintoxikation.

 

Verfahrensgang

LG Kaiserslautern (Entscheidung vom 24.10.2018; Aktenzeichen 6139 Js 11876/17)

 

Tenor

  1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 3. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 24. Oktober 2018

    1. im Schuldspruch dahingehend klargestellt, dass der Angeklagte der Vergewaltigung sowie der Körperverletzung schuldig ist,
    2. im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.
  2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern zurückverwiesen.
  3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Schöffengericht II - Kaiserslautern hat den Angeklagten mit Urteil vom 17. April 2018 wegen "Vergewaltigung im besonders schweren Fall" sowie wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Kaiserslautern mit Urteil vom 24. Oktober 2018 als unbegründet verworfen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision.

II.

Die zulässige Revision hat hinsichtlich des Strafausspruchs mit der ordnungsgemäß ausgeführten Verfahrensrüge Erfolg; im Übrigen ist sie jedoch unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Begründung, mit der das Landgericht den auf Einholung eines medizinischen und psychologischen Sachverständigengutachtens gerichteten Beweisantrag wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels nach § 244 Abs. 3 S. 2 Var. 4 StPO abgelehnt hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Sachverständigengutachten sollte Beweis dafür erbringen, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Taten aufgrund seines vorangegangenen Konsums von Cannabis und Amphetamin sowie einer akuten psychischen Überforderung unter einer vorübergehenden krankhaften psychischen Störung gelitten habe und dadurch vermindert schuldfähig gewesen sei. Der Verteidiger hatte seinen Antrag maßgeblich darauf gestützt, der Angeklagte habe zum Tatzeitpunkt nachweisbar unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln gestanden, da seine Blutprobe positiv auf Cannabis und Amphetamin getestet worden sei. Aufgrund der Mischintoxikation sowie der labilen Persönlichkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt habe dieser unter einer krankhaften seelischen Störung gelitten. Anknüpfungstatsachen seien zudem die Aussage der Geschädigten, die von einem "irren Blick" und einem Verhalten, als wäre der Angeklagte nicht er selbst gewesen, berichtet habe, und die Beschreibung des Angeklagten als verwirrt und desorientiert seitens eines Polizisten. Diesen Antrag hat die Strafkammer durch Gerichtsbeschluss mit der Begründung abgelehnt, eine Auswirkung des Betäubungsmittelmissbrauchs des Angeklagten auf die Tatbegehung sei ausgeschlossen, weswegen das Beweismittel Sachverständigengutachten völlig ungeeignet sei. Ausweislich des verlesenen toxikologischen Befundes des Sachverständigen Dr. R. von der Universitätsmedizin Mainz vom 13. Oktober 2017 habe die Untersuchung des drei Stunden nach der Tat entnommenen Blutes bei 23 Nanogramm pro Milliliter Amphetamin und 3,9 Nanogramm pro Milliliter THC allenfalls eine gewisse Restwirkung, nicht aber einen relevanten Einfluss auf Unrechtseinsicht oder Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ergeben. Die Geschädigte habe keine drogentypischen Ausfallerscheinungen beim Angeklagten erkannt und der Angeklagte selbst habe einen THC-Konsum am Vorabend der Tat und Amphetaminkonsum noch länger zurückliegend in nicht unüblichem hohem Maße angegeben.

Diese Begründung trägt die Ablehnung des Beweisantrages nicht. Die Annahme völliger Ungeeignetheit eines Beweismittels setzt voraus, dass das Gericht ohne jede Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis im Freibeweis, gegebenenfalls auch unter Zuhilfenahme eigener Sachkunde, feststellen kann, dass sich mit dem angebotenen Beweismittel das in dem Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen lässt (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.1994 - 1 StR 424/94, NStZ 1995, 45; Urteil vom 30.1.2013 - 2 StR 468/12, NStZ-RR 2013, 185; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 244 Rn. 58 m. w. N.). Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist u. a. dann völlig ungeeignet, wenn es an den Grundlagen für eine Gutachtenerstattung mangelt, weil die erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehlen, auf denen die sachverständige Beurteilung aufbauen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 29. 3 StR 526/17, NStZ 2018, 300; Urteil vom 1.12.2011 - 3 StR 284/11, NStZ 2012, 345). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der Sachverständige ...

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