Leitsatz (amtlich)
1. Ein Steuerberater, der seinen Mandanten im Rahmen eines Dauermandates nicht auf eine offen zu Tage getretene steuerrechtliche Fehlvorstellung hinweist, kann sich unter dem Gesichtspunkt einer Nebenpflichtverletzung (§ 241 Abs. 2 BGB) auch dann schadensersatzpflichtig machen, wenn er zu der eigentlichen Fragestellung nicht gesondert mandatiert worden ist (hier: Frage nach einem Immobilienverkauf vor Ablauf der 10-Jahres-Frist und unterbliebener Hinweis des Steuerberaters auf die Berechnungsparameter des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG).
2. Erleiden Eheleute im Zuge ihrer gemeinsamen steuerlichen Veranlagung aufgrund einer Pflichtverletzung des Steuerberaters einen Steuerschaden, sind sie in Bezug auf den Schadensersatzanspruch gegen den Steuerberater Mitgläubiger gem. § 432 Abs. 1 BGB.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, §§ 431, 611, 675, 1357; EStG § 23
Verfahrensgang
LG Landau (Pfalz) (Aktenzeichen 2 O 222/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz teilweise geändert und insgesamt neugefasst:
1. 1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger und dessen Ehefrau E... S...-L... als Mitgläubiger 73.099,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. August 2017 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger und dessen Ehefrau E... S...-L... als Mitgläubiger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.085,95 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. August 2017 zu zahlen.
II. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht den Beklagten im Wege der Steuerberaterhaftung dafür verantwortlich, dass seine Ehefrau infolge einer seiner Auffassung nach fehlerhaften Beratung eine Eigentumswohnung vor Ablauf der 10-Jahresfrist veräußerte und dadurch einen Steuerschaden erlitt.
Der Kläger ist Inhaber eines Kfz-Reparaturbetriebes, seine Ehefrau ist Erzieherin und verfügt über Immobilienvermögen. Über mehrere Jahre übernahm der Beklagte die steuerliche Beratung für die Eheleute. In diesem Zusammenhang erstellte er Einkommenssteuererklärungen sowie die laufende Buchhaltung des Kfz-Reparaturbetriebes. In den vergangenen Jahren wurden die Eheleute L... gem. § 26 des EStG gemeinsam veranlagt.
Die Ehefrau des Klägers erwarb im Jahr 2006 eine Eigentumswohnung im L... "H..." zu einem Kaufpreis von 235.000,00 EUR, die seit dem Jahr 2007 an den späteren Käufer der Wohnung vermietet war. Die Wohnung befindet sich in einem unter Denkmalschutz stehenden Gebäudekomplex. Seit dem Erwerb der Wohnung machten die Eheleute L.../S...-L... im Rahmen ihrer gemeinsamen steuerlichen Veranlagung neben der linearen Abschreibung (§ 7 Abs. 4 EStG) auch Kosten für Wiederherstellungs- und Modernisierungsmaßnahmen nach § 7 i EStG ("Sonder-AfA") steuerlich geltend.
Nachdem der Mieter der Wohnung sein Erwerbsinteresse bekundet hatte, veräußerte die Ehefrau des Klägers die Wohnung mit notariellem Vertrag vom 11. Dezember 2014 zu einem Kaufpreis von 286.500,00 EUR. Der Kaufpreis wurde im Jahr 2015 an die Ehefrau des Klägers gezahlt.
Vor dem Verkauf hatte die Ehefrau des Klägers mit der Zeugin W... (Mitarbeiterin des Beklagten) über die steuerlichen Auswirkungen eines Verkaufs der Eigentumswohnung gesprochen.
In einer E-Mail vom 28. Mai 2014 erklärte die Zeugin W...: "(...) Die Frist privater Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücke liegt innerhalb von 10 Jahre zwischen Anschaffung und Veräußerung".
In der vom Büro des Beklagten erstellten Einkommenssteuererklärung für 2015 wurde der Veräußerungserlös aus dem Verkauf der Wohnung in Ansatz gebracht, wobei die bis zum Veräußerungszeitpunkt geltend gemachten Sonderabschreibungen gewinnerhöhend nach Maßgabe des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG berücksichtigt wurden. Die vom Finanzamt festgesetzte Nachzahlung wurde von der Ehefrau des Klägers beglichen.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 erhob der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten den Vorwurf der Falschberatung, den der Beklagte im nachfolgenden Schriftwechsel zurückwies.
Der Kläger beziffert seinen Schadensersatzanspruch auf 73.099,31 EUR. Den vorgenannten Betrag errechnet er aus der Differenz der Steuerlast für das Jahr 2015 mit und ohne Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns aus § 23 EStG.
Der Kläger hat behauptet, auf Nachfrage seiner Ehefrau nach den steuerlichen Folgen eines Wohnungsverkaufs vor Ablauf von zehn Jahren (seit dem Erwerb) habe die Mitarbeiterin des Beklagten (Zeugin W...) lediglich darauf hingewiesen, dass bei Veräußerung der ...