Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsrecht für Rechtsmittel in Familiensachen
Leitsatz (amtlich)
1. Ist das Verfahren in erster Instanz noch nach altem Recht eingeleitet und entschieden worden, so richtet sich auch die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens nach neuem Recht.
2. Zur Auslegung eines im Rahmen einer notariellen Scheidungsvereinbarung errichteten Unterhaltstitels für ein zwischenzeitlich volljährig gewordenes, behindertes Kind.
Normenkette
FGG-RG Art. 111; ZPO §§ 517, 519; BGB §§ 133, 157, 313
Verfahrensgang
AG Bad Dürkheim (Aktenzeichen 2 F 63/09) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird die notarielle Urkunde vom 19.11.1999 (Az. 5 UR 1880, 99 - Notariat V M.) in ihrer Ziff. 2.1. b für die Zeit ab Januar 2009 abgeändert:
1. Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten Kindesunterhalt i.H.v. 138 % des Mindestunterhalts der 4. Altersstufe abzgl. des hälftigen staatlichen Kindergeldes sowie anrechenbarer Eigeneinkünfte des Beklagten i.H.v. monatlich 102,48 EUR zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist der Vater des am ... geborenen Beklagten, der am ... volljährig geworden ist.
Der Beklagte ist zu 100 % schwerbehindert; er leidet an Trisomie 21, lebt im Haushalt seiner Mutter, die gerichtlich mit umfassenden Wirkungskreisen als seine Betreuerin bestellt wurde und die ihn auch tatsächlich betreut.
Am 19.11.1999 trafen die Eltern des Beklagten eine notarielle Scheidungsvereinbarung (Urkunde des Notariats V M. Az. 5 UR 1880, 99), die u.a. folgende Regelungen enthält:
Unser Sohn M. ist behindert (GbB 100 %). Er wird sein ganzes Leben lang auf Hilfe angewiesen bleiben.
1. Kindesunterhalt
1.1. Der Erschienene Ziff. 1) verpflichtet sich, beginnend mit Juli 1999 für die Kinder monatlich im Voraus ... zu Händen der Erschienen Ziff. 2) - ab Volljährigkeit der Kinder an diese - Kindesunterhalt zu zahlen und zwar wie folgt:
- für J. M., geb. ...,...
- für N. M., geb. am ...,...
- für M., geb ...
ab 1.7.1999 bis 31.1.2005 ...
ab 1.2.2005 150 % des jeweiligen Regelbetrags ... abzgl.
des hälftigen staatlichen Kindergeldbetrages ...
1.2. Es besteht Einigkeit darüber, dass das für den Sohn M. gezahlte Pflegegeld diesem zusteht und zu Händen der Kindesmutter zu zahlen ist ...
Das Pflegegeld dient zur Abdeckung der besonderen behinderungsbedingten Aufwendungen ...
1.3 ...
3.4. Solange M. im Haushalt der Erschienenen Ziff. 2. lebt - längstens aber bis einschließlich Februar 2012 (= Vollendung des 25. Lebensjahres von M.) wird eine Abänderung des laufenden Ehegattenunterhaltsbetrags nach § 323 ZPO ausgeschlossen ...
...
Solange M. im Haushalt der Mutter lebt, werden auf Seiten der Erschienenen Ziff. 2. nur Einkünfte, die sie aus halbschichtiger Tätigkeit erzielen könnte, berücksichtigt; darüber hinausgehende Einkünfte bleiben anrechnungsfrei. ...
4. Vollstreckungsunterwerfung
Wegen der in dieser Urkunde übernommenen Verpflichtung zur Zahlung von Kindes- und Ehegattenunterhalt unterwirft sich der Erschienene Ziff. 1. ggü. den Unterhaltsberechtigten, d.h. ggü. der Erschienenen Ziff. 2) sowie ggü. den Kindern - je einzeln - der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.
In der mündlichen Verhandlung beim Familiengericht am 1.7.2009 haben die Parteien übereinstimmend erklärt, sich bezüglich der Höhe des Kindesunterhalts grundsätzlich auf 138 % des Mindestunterhalts der DüTab Januar 2008 außergerichtlich entsprechend den Berechnungen der Rechtsanwältin des Beklagten in deren Schreiben vom 18.2.2009 geeinigt zu haben.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug Vollstreckungsgegenklage erhoben, mit der er begehrt hat, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 19.11.1999 für unzulässig zu erklären.
Hilfsweise hat der Kläger die Abänderung der notariellen Urkunde vom 19.11.1999 dahin begehrt, dass er ab Januar 2009 nur noch Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 222,52 EUR schulde, weil sich die Mutter anteilig an dem Barunterhalt für den Beklagten zu beteiligen habe.
Mit Urteil vom 26.8.2009, dem Kläger zugestellt am 1.9.2009, hat das Familiengericht die Klage sowohl bezüglich des Hauptantrags als auch bezüglich des Hilfsantrags abgewiesen.
Zur Begründung hat das Familiengericht im Wesentlichen ausgeführt, die notarielle Urkunde vom 19.11.1999 sei auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Beklagten voll wirksam. Ein Abänderungsgrund i.S.v. § 313 BGB liege nicht vor. Der Beklagte bedürfe nach wie vor der Betreuung gleich einem minderjährigen Kind. Seine Mutter betreue ihn nach wie vor; nach dem in der notariellen Vereinbarung zum Ausdruck gekommenen Vertragswillen solle sie auch nach Eintritt der Volljährigkeit nicht für den Barunterhalt des von ihr betreuten Kindes anteilig haften.
Hiergegen richtet sich die zum Pfälzischen OLG Zweibrücken eingelegte Berufung des Klägers mit dem Antrag, die Zwangsvollstreckung aus der no...