Leitsatz (amtlich)

Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug bewusst gebrauchsbereit bei einem Diebstahl mit sich führt, ist zu berücksichtigen, zu welchem Zweck er den Gegenstand üblicherweise benutzt und ob eine Verbindung zwischen dieser üblichen Benutzung und dem Diebstahl besteht.

 

Verfahrensgang

AG Kaiserslautern (Entscheidung vom 21.02.2023)

 

Tenor

  1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 21.02.2023 aufgehoben. Von der Aufhebung sind auch die Feststellungen mit Ausnahme der Feststellungen zur äußeren Tatseite betroffen.
  2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Kaiserslautern zurückverwiesen.
 

Gründe

Das Amtsgericht Kaiserslautern hat den Angeklagten wegen Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 1 Euro verurteilt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

I.

1. Den Verurteilungen wegen (einfachen) Diebstahls in den Taten II. 1. und II. 2. liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Am 23.03.2020 hielt sich der zu diesem Zeitpunkt obdachlose Angeklagte gegen 08:30 Uhr in den Geschäftsräumen des ...-Marktes in der ... Straße ... in Kaiserslautern auf. Da er Hunger hatte, entwendete er dort verschiedene Lebensmittel im Gesamtwert von 29,26 Euro, indem er diese in seinen Rucksack steckte. Entsprechend seiner vorgefassten Absicht sollte die Ware nicht bezahlt werden. Dabei hatte der Angeklagte in einer geschlossenen Innentasche seiner Jacke ein beidseitig geschliffenes Springmesser mit einer Klingenlänge von 14,5 cm, das sich in zusammengeklapptem Zustand befand. Hierbei handelte es sich um das Geschenk eines Freundes, das der auf der Straße lebende Angeklagte damals zum Schutz und zum Zerkleinern von Lebensmitteln allgemein bei sich hatte, sich dessen zum Zeitpunkt der Tat jedoch nicht bewusst war und das Messer auch nicht verwenden wollte.

Am 30.04.2020 hielt sich der zu diesem Zeitpunkt nach wie vor obdachlose Angeklagte gegen 10:11 Uhr in den Geschäftsräumen des ...-Marktes in der ...straße ... in Kaiserslautern auf. Da er wieder Hunger hatte, entwendete er diverse Lebensmittel im Gesamtwert von 33,08 Euro, indem er diese in seinen Rucksack steckte. Entsprechend seiner vorgefassten Absicht sollte die Ware nicht bezahlt werden. Dabei hatte der Angeklagte in einer Innentasche ein Taschenmesser bei sich, das er damals zum Schneiden von Lebensmitteln und zum Schnitzen von Holz benutzte, sich dessen zum Zeitpunkt der Tat jedoch nicht bewusst war und das Messer auch nicht verwenden wollte.

Zu diesen Feststellungen hat das Amtsgericht folgende rechtliche Wertungen getroffen:

Abweichend von der Anklageschrift vom 26.01.2021 war hinsichtlich der Taten 1 und 2 nur ein Eingreifen von § 242 StGB, nicht aber von § 244 Abs. 1 Nr. 1a) StGB zu bejahen, da der Angeklagte sich der Messer nicht ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen konnte. Soweit hinsichtlich der Tat 2 auch § 244 Abs. 1 Nr. 1b) StGB in Betracht kam, war diese Variante im Hinblick auf das fehlende Bewusstsein des Angeklagten hinsichtlich des mitgeführten Taschenmessers und seinen fehlenden Willen, es zur Verhinderung oder Überwindung etwaigen Widerstands einzusetzen, zu verneinen.

2. Der Verurteilung wegen (einfachen) Diebstahls bei der Tat II. 3. beruht auf folgenden Feststellungen des Amtsgerichts:

Am 15.01.2021 hielt sich der zu diesem Zeitpunkt immer noch obdachlose Angeklagte gegen 13:00 Uhr in den Geschäftsräumen des ...marktes in der ...Straße ... in Kaiserslautern auf. Dort entwendete er zwei Flaschen Johnny Walker, eine Flasche Jim Beam und eine Flasche Tullamore Dew im Wert von insgesamt 73,46 Euro, indem er diese in seinen Rucksack und seine Jacke steckte. Entsprechend seiner vorgefassten Absicht sollte die Ware nicht bezahlt werden. Eine Flasche wollte der Angeklagte selbst trinken, um durch die Wirkung des Alkohols besser mit der Kälte und seiner Gefühlswelt klar zu kommen. Die restlichen Flaschen waren als Dankeschön für Menschen gedacht, bei denen er mal duschen oder mal übernachten durfte.

Zu diesen Feststellungen hat das Amtsgericht folgende rechtliche Wertungen getroffen:

Abweichend von der Anklageschrift vom 16.02.2021 war ein besonders schwerer Fall nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB nicht zu bejahen. Gewerbsmäßiger Diebstahl liegt vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich selbst aus wiederholten Diebstählen eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen, wobei die beabsichtigte Veräußerung von Diebesgut im Einzelfall nicht genügt. Der Angeklagte wollte sich eine der insgesamt vier entwendeten Flaschen selbst einverleiben, um durch die Wirkung des ...

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