Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufklärungspflicht bei Blutspenden
Leitsatz (amtlich)
1. Die mit einer Blutspende im Allgemeinen verbundenen Risiken, insb. aber das Risiko eines direkten Nerventraumas durch die eingeführte Nadel und die Möglichkeit bleibender Körperschäden, bedürfen der Selbstbestimmungsaufklärung des Blutspenders.
2. Die Aufklärung hat umfassend und in einer auf die Person des Spenders abgestellten verständlichen und individuellen Form durch einen Arzt oder eine entsprechend geschulte Person zu erfolgen.
Diesen Anforderungen genügen schriftliche Hinweise auf der Rückseite eines "Fragebogens für Blutspender" ("Informationen zur Blutspende") regelmäßig nicht. Eine ausreichende Aufklärung muss grundsätzlich - auch - mündlich erfolgen.
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Urteil vom 13.02.2004; Aktenzeichen 3 O 71/01) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Kaiserslautern vom 13.2.2004 abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.524,26 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 30.1.2001 und 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.1.2002 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro nebst Zinsen i.H.v. 4 % aus 1.022,58 Euro (= 2.000 DM) vom 12.3.2000 bis zum 29.1.2001 und aus 15.000 Euro i.H.v. 4 % seit dem 30.1.2001 und i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.1.2002 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeglichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aufgrund seiner Blutspende am 29.10.1999 im ...klinikum in ... noch entstehen wird, soweit solche Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist.
II. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
V. Die Revision gegen das Urteil wird für die Beklagte zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens sowie auf Feststellung der Ersatzverpflichtung für zukünftige Schäden im Zusammenhang mit der Abgabe einer Blutspende geltend. Dem liegt - zusammengefasst - Folgendes zugrunde:
Die Beklagte führt in Krankenhäusern, so auch im ...klinikum in ..., Blutspendetermine durch. Am 29.10.1999 spendete der Kläger, ein Polizeibeamter, dort - wie schon dreimal zuvor, erstmals am 22.2.1999 - Blut. Zuvor hatte er - wie vor jeder Blutspende - einen "Fragebogen für Blutspender" (Bl. 234 d.A.) ausgefüllt und unterschrieben, auf dessen Rückseite sich "Informationen zur Blutspende" befinden. Darin heißt es u.a.:
"Mögliche Komplikationen
Eine Blutspende wird i.d.R. gut vertragen. Nur selten kommt es zu Unwohlsein, Kreislaufschwäche (Schweißausbruch, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Ohnmacht) oder stärkeren Nachblutungen aus der Einstichstelle. Noch seltener sind Schädigungen von Blutgefäßen oder Nerven sowie Entzündungsreaktionen zu erwarten.
...
Erklärung
...
Ich habe die vorgenannten Erklärungen zur Kenntnis genommen und keine weiteren Fragen."
Die für die Blutspende erforderliche Einführung der Punktionskanüle wurde durch eine Arzthelferin, die Zeugin N. W., in den linken Unterarm des Klägers vorgenommen. Nachdem der Kläger unmittelbar nach dem Einstich einen Schmerz reklamierte, wurde die Lage der Nadel durch die anwesende Ärztin, die Zeugin Dr. S., korrigiert, indem sie sie ein wenig herauszog.
Der Kläger hat ursprünglich behauptet, der Einstich sei fehlerhaft erfolgt, weshalb es zur Verletzung eines Nervs im linken Unterarm und - trotz zwischenzeitlicher Durchführung von zwei Revisionsoperationen - zu näher beschriebenen, irreparablen Folgeschäden (chronifizierte, neuropathische Schmerzen) gekommen sei. Später hat er ergänzend vorgetragen, er sei vor der Blutspende über das damit verbundene Risiko nicht ausreichend aufgeklärt worden.
Den geltend gemachten Schaden hat der Kläger wie folgt beziffert:
Der Schmerzensgeldbetrag habe mindestens 20.000 DM zu betragen. Außerdem seien ihm Schäden durch Attestkosten (181,20 DM), infolge seiner Arbeitsunfähigkeit eine entgangene Schichtzulage von Mai 2000 bis Dezember 2000 (800 DM), Fahrtkosten zu Arztterminen (3.842,80 DM) und eine entgangene Nacht- und Feiertagszulage von Mai bis Dezember 2000 (2.634,73 DM) entstanden.
Die Beklagte hat einen Behandlungsfehler, die Schädigung eines Nervs und die Kausalität des Einstichs für eine etwaige Nervenschädigung bestritten und im Übrigen die Ansicht vertreten, dass der Kläger ausreichend über die Risiken der Blutspende aufgeklärt war. Im Übrigen hat sie eingewa...