Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anwendung der Übergangsregeln des FGG-RG
Leitsatz (amtlich)
Solange auf ein Ehescheidungsverbundverfahren das bis zum 1.9.2009 geltende Recht anzuwenden ist, können Folgesachen noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingeleitet werden (§ 623 Abs. 4 ZPO a.F.) und nicht nur bis spätestens zwei Wochen vor dieser Verhandlung (§ 137 Abs. 2 S. 1 FamFG).
Normenkette
FGG-RG Art. 111; ZPO (a.F.) § 623 Abs. 4; FamFG § 137 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Kandel (Urteil vom 28.04.2010; Aktenzeichen 2 F 100/09) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des AG - Familiengericht - Kandel vom 28.4.2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung im Verbund an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt.
II. Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die verfahrensrechtliche Zulässigkeit der nach Abtrennung der Folgesache Zugewinnausgleich ausgesprochenen Scheidung ihrer am 1.2.1990 geschlossenen Ehe, aus der die Zwillinge A. und J., geboren am ..., hervorgegangen sind.
Die Eheleute leben seit April 2008 getrennt voneinander. Sie sind vom Familiengericht in der mündlichen Verhandlung vom 28.4.2010 (Bl. 42 ff. d.A.) angehört worden. Während der Antragsteller danach die Scheidung erstrebt, hält die Antragsgegnerin die Ehe noch nicht für endgültig gescheitert. Zugleich hat sie im Termin der mündlichen Verhandlung einen mit Schriftsatz vom 22.4.2010 angekündigten Antrag zur Folgesache Zugewinnausgleich gestellt.
Das Familiengericht hat die Auskünfte zum Versorgungsausgleich eingeholt, die Folgesache Zugewinnausgleich abgetrennt, die Ehe mit angefochtenem Urteil geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Urteil (Bl. 47-54 d.A.) Bezug genommen.
Hiergegen macht die Antragsgegnerin im Wege der Berufung geltend:
Das Scheidungsurteil könne keinen Bestand haben. Es sei schon verfahrensfehlerhaft ergangen, weil das Familiengericht die Scheidung ausgesprochen habe, ohne die Folgesache Zugewinnausgleich in den Scheidungsverbund aufzunehmen. Insoweit sei auf das vor dem 1.9.2009 geltende Verfahrensrecht abzustellen. Im Übrigen hätten sich für das Familiengericht aufgrund der widersprüchlichen Angaben der Parteien im Termin auch Zweifel ergeben müssen, ob die Ehe tatsächlich endgültig gescheitert sei.
Die Antragsgegnerin beantragt, das Urteil des AG Kandel vom 28.4.2010 aufzuheben und zur weiteren Verhandlung an das AG Kandel zurückzuverweisen.
Der Antragsteller beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Antragstellerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und macht hierzu insbesondere geltend, die Abtrennung der Folgesache Zugewinnausgleich sei mit Recht unter Hinweis auf die Übergangsvorschrift zum FamFG und § 137 FamFG erfolgt. Die Ehe der Parteien sei gescheitert. Das folge aus den weiteren streitig geführten gerichtlichen Verfahren sowie der Tatsache, dass der Antragsteller schon seit Mai 2008 in einer neuen gefestigten Beziehung lebe.
Zur Ergänzung wird auf die zwischen den Parteien gewechselte Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.1. Die Berufung der Antragsgegnerin ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; insbesondere ist anerkannt, dass eine Berufung vorrangig mit dem Ziel eingelegt werden kann, die Vorwegentscheidung zu beseitigen und dadurch den Verbund wieder herzustellen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 628 ZPO Rz. 13 m.w.N.). Für die Anfechtbarkeit des erstinstanzlichen Urteils ist dabei gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit mit dem Scheidungsantrag vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist.
2. In der Sache führt das Rechtsmittel zu einem vorläufigen Erfolg. Der angefochtene Scheidungsausspruch ist gem. § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufzuheben und die Sache zur erneuen Verhandlung und Entscheidung im Verbund an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen. Das Urteil ist nämlich unter Nichtbeachtung des Verbunds ergangen; es kommt daher einem unzulässigen Teilurteil gleich, weil es über das Scheidungsbegehren entschieden hat, obwohl dieses nach den §§ 623, 628 ZPO noch nicht zur Endentscheidung reif war (vgl. Senat, zuletzt etwa Urt. v. 5.10.2007 - 6 UF 20/07 sowie 5. Zivilsenat des Pfälzischen OLG, OLGR 1998, 492 ff. und 2001, 477 ff.; OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2004, 486, 487 und 660; Zöller/Philippi, a.a.O., § 628 Rz. 14).
a) Entgegen der Ansicht des Familiengerichts ist auch diese Frage nach den bis Ende 2009 geltenden Vorschriften der §§ 623, 628 ZPO zu beurteilen. Allerdings regelt die Übergangsvorschrift des Art. 111 FGG-RG die Frage der Anwendung des neuen Rechts für das Verbundverfahren nicht umfassend. Gemäß Art. 111 Abs. 5 FamFG-RG sind auf Verfahre...