Normenkette
EUV 528/2012 Art. 72; UWG § 3 Abs. 1, §§ 3a, 8 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 28.10.2021; Aktenzeichen 2 HK O 23/21) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 28.10.2021, Az. 2 HK O 23/21, geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Biozidprodukte, wie die Produkte "...", "...", "...", "...", "..." und "..." zu werben, wenn dies geschieht wie aus dem Screenshot zum Internetauftritt gemäß Anlage K3 ersichtlich.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Unterlassungsgebot gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 EUR und die Vollstreckung wegen der Kosten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des insoweit vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger wegen der Unterlassungsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 20.000,00 EUR und wegen der Vollstreckung im Kostenpunkt Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird entsprechend der Wertangabe in der Klageschrift auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um den Ort der richtigen Gefahrenkennzeichnung von verschiedenen im Sinne der EU-Verordnung 528/2012 als "gefährlich" eingestuften Biozidprodukten (Desinfektionsmitteln) bei deren Bewerbung auf dem Internetauftritt (...) der damit über einen Online-Shop Handel treibenden Beklagten.
Der Kläger, ein eingetragener Verein zur Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, beanstandet die Darstellung der in der Urteilsformel genannten Desinfektionsmittel auf dem Internetauftritt der Beklagten als wettbewerbswidrig, da der für die in Rede stehenden Biozid-Produkte gemäß Art. 72 der vorbezeichneten EU-Verordnung vorgeschriebene Warnhinweis dort nicht bereits auf der Produktübersichtsseite ersichtlich ist, sondern erst auf der jeweiligen Detailseite für die einzelnen beworbenen Produkte.
Nach Art. 72 der Biozid-VO muss in jeder Werbung für Biozid-Produkte ein zwingender Hinweis enthalten sein: "Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformation lesen".
Dieser Hinweis findet sich in dem Internetauftritt der Beklagten nicht schon auf der Produktübersichtsseite, aus der heraus für den Kunden bereits ein Bestellvorgang für die einzelnen Produkte möglich ist: Nachdem ein Käufer dort die ausgewählte Ware in den (virtuellen) "Warenkorb" gelegt hat, kann er seine Bestellung über den Button "weiter zur Kasse" abschließen. Ein Hinweis nach Art. 72 der Biozid-VO findet sich (lediglich) auf der jeweiligen Detailseite zu den einzelnen hier interessierenden Produkten.
Wegen der Einzelheiten des Internetauftritts der Beklagten wird auf die Anlage K3 (Produktübersichtsseite, Blatt 84ff der eAkte erster Instanz) sowie die Anlagen B8 - B13 (Detailseiten, Blatt 339ff der eAkte erster Instanz) verwiesen.
Das Landgericht Frankenthal (Pfalz) hat mit dem angefochtenen Urteil der 2. Kammer für Handelssachen vom 28.10.2021, auf das zur weiteren Sachdarstellung und wegen der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Unterlassungsklage abgewiesen. Es handele sich bei der von dem Kläger beanstandeten Produktübersichtsseite der Beklagten nicht um Werbung i. S. v. Art. 72 der Biozid-VO. Die Übersichtsseite präsentiere nicht nur Biozid-Produkte, sondern auch sonstige Desinfektionsmittel und liste diese, ohne erkennbare Systematik in der Reihenfolge hintereinander mittels Bezeichnung des Produktes, Nennung des Markennamens, der Packungsgröße und des Herstellers und der Artikelnummer auf. Es werde auf der Übersichtsseite kein bestimmtes Produkt besonders hervorgehoben. Der Umstand, dass der interessierte Nutzer auch ohne vorherige Kenntnisnahme des Warnhinweises ein Biozid-Produkt in den virtuellen Warenkorb legen könne, sei vergleichbar mit der Situation eines Kunden, der in einem realen Ladenlokal auf der Suche nach einem Handdesinfektionsmittel gleichsam "blind" in ein Regal greife, dort ein Produkt auswähle und dieses ohne näheres Betrachten der darauf angebrachten Produktinformation an der Kasse bezahle.
Mit seiner dagegen eingelegten Berufung rügt der Kläger die Rechtsauffassung des Landgerichts zur Biozid-VO. Die Erteilung des darin vorgeschriebenen Gefahrenhinweises erst auf den Detailseiten zu den einzelnen Produkten reiche nicht aus. Irrig sei weiter auch die Rechtsauffassung des Erstgerichts, es läge keine Werbung der Beklagten vor.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bi...