Sachverhalt
Das Vorabentscheidungsersuchen des VAT and Duties Tribunal, London betraf Fragen der mehrwertsteuerlichen Behandlung eines Geschäftsmodells, das die Ermöglichung des Tausches von Teilzeit-Wohnrechten zu Erholungszwecken vorsieht.
Die im Vereinigten Königreich ansässige Klägerin ermöglicht den "Tausch" von Teilzeit-Wohnrechten zwischen den Inhabern dieser Rechte. Hierzu entrichten die Rechteinhaber Aufnahmegebühren, Mitgliedsbeiträge sowie - im Fall einer Inanspruchnahme eines fremden Teilzeit-Wohnrechtes - Tauschentgelte.
Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens war im Wesentlichen fraglich, welchem Mitgliedstaat das Besteuerungsrecht für diese Umsätze zusteht. So war der Ort der Leistung für die von der Klägerin gegenüber den Rechteinhabern erbrachten Leistungen strittig. Ein Großteil der Immobilien des Tauschprogramms RCI ist in Spanien belegen. Die britischen und die spanischen Steuerbehörden verlangten beide die Entrichtung von Mehrwertsteuer auf die Umsätze der Klägerin, was letztlich auf eine Doppelbesteuerung in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten hinausgelaufen wäre.
Die Finanzverwaltung des Vereinigten Königreiches war der Auffassung, dass jedenfalls für das Tauschentgelt die Sonderregelung für Reiseleistungen nach Art. 26 der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007 Art. 306 ff. MwStSystRL) gelten müsse. Danach wäre Ort der Leistung der Sitz der Klägerin. Die spanische Finanzverwaltung war hingegen der Auffassung, dass gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007 Art. 45 MwStSystRL) wegen der Grundstücksbezogenheit der Leistung für den Leistungsort jeweils der Ort der betroffenen Immobilie maßgeblich sei.
Entscheidung
Zur Frage des Leistungsaustauschs kommt der EuGH in seiner Entscheidung zu dem - nachvollziehbaren - Ergebnis, das das im Vorlagefall gezahlte Beitrittsentgelt und die Mitgliedsbeiträge als Gegenleistung für die Teilnahme an einem System anzusehen, das ursprünglich geschaffen wurde, um es den einzelnen Mitgliedern der Klägerin zu ermöglichen, ihre Teilnutzungsrechte untereinander zu tauschen. Die von der Klägerin erbrachte Leistung besteht in der Erleichterung des Tausches, und das Beitrittsentgelt und die Mitgliedsbeiträge stellen die Gegenleistung dar, die ein Mitglied für diese Leistung erbringt. Was die Tauschgebühren betrifft, besteht die Dienstleistung, für die ein Mitglied Tauschgebühren entrichtet, im Tausch selbst oder in der zukünftigen Möglichkeit, sich an einem solchen Tausch zu beteiligen, die das Hauptziel jedes Mitglieds darstellen, wobei der Zugang zur Tauschbörse und die sich auf sie beziehenden Informationen im Verhältnis zu dieser Zielsetzung nur Zusatzelemente sind.
Zur Frage des Leistungsorts verweist der EuGH auf seine ständige Rechtsprechung zum Ort der Dienstleistung. Danach enthält Art. 9 der 6. EG-Richtlinie Regeln zur Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts bei Dienstleistungen. Während in Absatz 1 insoweit eine allgemeine Regel niedergelegt ist, listet Absatz 2 eine Reihe besonderer Anknüpfungspunkte auf. Durch diese Bestimmungen sollen Kompetenzkonflikte, die zu einer Doppelbesteuerung führen könnten, sowie die Nichtbesteuerung von Einnahmen verhindert werden (vgl. EuGH, Urteile vom 4.6.1985, 168/84 (Berkholz), vom 26.9.1996, C-327/94 (Dudda) und vom 6.11.2008, C-291/07 (Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrådet). Gemessen an der Zielsetzung des Verhältnisses der Klägerin zu ihren Mitgliedern und vor dem Hintergrund, dass Teilnutzungsrechte Rechte an Grundstücken darstellen und ihre Abgabe im Austausch gegen die Nutzung vergleichbarer Rechte ein Geschäft im Zusammenhang mit Grundstücken ist, bejaht der EuGH die Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie. Hierbei ist für den EuGH beachtlich, dass eine Besteuerung nach dem Gemeinschaftsrecht nach Möglichkeit an dem Ort erfolgen soll, an dem die Gegenstände verbraucht oder die Dienstleistungen in Anspruch genommen werden. Käme die allgemeine Regel des Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie zur Anwendung, wäre es für die Klägerin leicht sich der Umsatzbesteuerung völlig zu entziehen, indem sie ihren Sitz ins Drittlandsgebiet verlege.
Insgesamt scheint der EuGH also die Ortsregelung für Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken eher weit auszulegen. Allerdings kann die Bemerkung, die Klägerin könne sich durch eine Sitzortverlagerung der Besteuerung entziehen, kaum ein Sachargument darstellen. Sitzortverlagerungen können in allen Fällen auftreten, in denen Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie einschlägig ist.
Hinweis
Das deutsche Umsatzsteuerrecht enthält für den vorliegenden Fall keine spezifische Regelung. Es dürfte regelmäßig eine Frage des Einzelfalls sein, ob die Sonderregelung über Reiseleistungen oder die reguläre Ortsregel für Grundstücksleistungen Anwendung findet. Hierbei ist erheblich, ob der Unternehmer in eigenem Namen oder nur als Vermittler die Nutzung fremder Teilzeit-Wohnrechte ermöglicht.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 03.09.2009, C-37/08