Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Insolvenzverwalter. Beiordnung. Rechtsanwalt

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen, unter denen ein als Rechtsanwalt zugelassener Insolvenzverwalter sich auf der Grundlage der §§ 114 ff. ZPO selbst beigeordnet werden kann.

 

Normenkette

VwGO § 166; ZPO § 116 S. 1, § 121 Abs. 2; InsVV § 5

 

Verfahrensgang

VG Bremen (Beschluss vom 03.06.2010; Aktenzeichen 2 K 1255/09)

 

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen – 2. Kammer – vom 03.06.2010 wird aufgehoben.

Dem Antragsteller wird für die beabsichtigte Klage unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. O. Prozesskostenhilfe bewilligt; von Ratenzahlung wird abgesehen.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller hat als Insolvenzverwalter bei einem Sozialversicherungsträger – einer Krankenkasse – beantragt, ihm Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe die Insolvenzschuldnerin vor Insolvenzeröffnung Zahlungen an sie geleistet hat. Er hat sein Begehren auf § 1 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) gestützt. Der Sozialversicherungsträger hat das Auskunftsersuchen abgelehnt (Erstbescheid vom 25.06.2009 und Widerspruchsbescheid vom 21.08.2009). Im Widerspruchsbescheid wird ausgeführt, das Auskunftsersuchen ziele darauf ab, anfechtungsrelevante Daten zu erlangen; ein solches Begehren werde nicht von den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes erfasst. Der Antragsteller hat am 02.09.2009 beim Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie seine Beiordnung für die gegen den Sozialversicherungsträger beabsichtigte Klage beantragt. Prozesskostenhilfe sei zu bewilligen, da die Kosten des gerichtlichen Verfahrens nicht aus der geringen Insolvenzmasse aufgebracht werden könnten. Die Klage besitze auch hinreichende Erfolgsaussicht. Das Informationsfreiheitsgesetz erfasse auch das Auskunftsverlangen eines Insolvenzverwalters, der die Informationen benötige, um etwaige Anfechtungstatbestände zu prüfen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 03.06.2010 abgelehnt.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde des Antragstellers.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und eine Beiordnung des Antragstellers sind erfüllt.

1.

Prozesskostenhilfe kann gemäß §§ 166 VwGO, 114 ZPO nur bewilligt werden, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier der Fall. Ob ein Insolvenzverwalter nach dem Informationsfreiheitsgesetz einen Auskunftsanspruch gegen einen Sozialversicherungsträger hat, ist in der Rechtsprechung umstritten (bejahend: VG Hamburg, U. v. 23.04.2009 – 19 K 4199/07 – ZIP 2009, 2014; VG Stuttgart, U. v. 18.08.2009 – 8 K 1011/09ZInsO 2009, 1858; verneinend: VG München, U. v. 21.06.2007 – M 17 K 06.3145). Eine höchstrichterliche Klärung ist bislang nicht erfolgt. Unter diesen Umständen kann der beabsichtigten Klage die hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden.

2.

Gemäß § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO erhält eine Partei kraft Amtes, wozu ein Insolvenzverwalter zählt, Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Nach einer Insolvenzeröffnung kommt allein diese Vorschrift als Grundlage für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Betracht. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO, der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an eine juristische Person regelt, findet demgegenüber keine Anwendung (BGH, B. v. 14.07.2005 – IX ZB 224/04 – ZIP 2005, 1519). Das Verwaltungsgericht, das in dem angefochtenen Beschluss die Voraussetzungen der letztgenannten Vorschrift geprüft – und verneint – hat, hat deshalb eine nicht einschlägige Rechtsgrundlage herangezogen.

3.

Die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind hier erfüllt. Der Antragsteller hat schlüssig und glaubhaft dargelegt, dass er die Kosten der Rechtsverfolgung nicht aus der von ihm verwalteten Insolvenzmasse (§ 35 InsO) aufbringen kann. Aus seinen Darlegungen ergibt sich, dass der gegenwärtige Barbestand der vorhandenen Masse bei weitem nicht ausreicht, die Massekosten (§ 54 InsO) und die sonstigen bereits fälligen sowie dem Grunde nach entstandenen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) zu decken. Einer Masse von 7.689,55 Euro stehen Masseverbindlichkeiten von 32.020,00 Euro gegenüber. Dass diese Verbindlichkeiten zu einem nicht geringen Teil aus dem Vergütungsanspruch des Antragstellers als Insolvenzverwalter resultieren, ändert nichts daran, dass hinsichtlich der Masseverbindlichkeiten offenkundig eine signifikante Unterdeckung gegeben ist.

Vor diesem Hintergrund kann auch nicht angenommen werden, dass es den Insolvenzgläubigern (§ 38 InsO) zumutbar wäre, für die Kosten der Rechtsverfolgung aufzukommen.

4.

Weiterhin sind die Voraussetzungen für eine Beiordnung des Antragstellers gegeben. Dass der Antragsteller selbst zugelassener Rechtsanwalt ist, steht de...

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