Verfahrensgang
VG Bremen (Urteil vom 01.10.2004; Aktenzeichen 7 K 572/02) |
Tenor
Das aufgrund mündlicher Verhandlung vom01.10.2004 ergangeneUrteil desVerwaltungsgerichts Bremen – Einzelrichter der 7. Kammer – wird mit Ausnahme der Entscheidung über die Verfahrenseinstellung aufgehoben.
Die Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 06.09.2001 und des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2001 verpflichtet, den Klägern für das Kind L. für die Zeit vom 22. Januar 2001 bis zum 28. Februar 2002 Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege zu gewähren.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren Leistungen zum Unterhalt eines Kindes, das sie in ihrer Familie aufgenommen haben.
Die klagenden Eheleute nahmen am 30.05.1997 L., geboren 1989 in Oldenburg, in ihre Familie auf. Seit dem 15.07.1997 sind sie zum Vormund von L. bestellt. Die Kläger haben zwei eigene Kinder, die 1986 und 1990 geboren sind.
Am 30.05.1997 war L. Mutter, bei der er zuvor in Oldenburg gelebt hatte, verstorben. L. Vater, der mit der Mutter nicht verheiratet war, lebte von der Mutter getrennt ebenfalls in Oldenburg. Er leistet Unterhalt. L. Mutter ist die Schwester des Klägers zu 2.
Mit Schreiben vom 12.01.2001 – eingegangen am 22.01.2001 – wandten sich die Kläger an das Amt für Soziale Dienste der Beklagten und beantragten finanzielle Unterstützung nach dem KJHG.
Das Amt für Soziale Dienste (AfSD) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 06.09.2001 ab. Leistungen zum Unterhalt eines Kindes oder Jugendlichen nach dem SGB VIII (KJHG) seien nur bei Vorliegen eines (besonderen) erzieherischen Bedarfs zu erbringen, woran es hier fehle.
Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2002 – zugestellt am 25.02.2002 – als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 1 SGB VIII sei nur gegeben, wenn ein erzieherisches Defizit des Kindes oder Jugendlichen bestehe. Hier hätten die Kläger in einem persönlichen Gespräch am 25.06.2001 mit den Vertretern des Amts für Soziale Dienste erklärt, dass sie keinen besonderen erzieherischen Bedarf bei ihrem Neffen sähen. Eine weitere Nachprüfung sei aus Sicht des Amtes für Soziale Dienste offenkundig nicht angezeigt gewesen.
Am 20.03.2002 haben die Kläger Klage erhoben. Sie haben vorgetragen, die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach dem SGB VIII seien erfüllt. Entscheidend sei, dass nach dem Tod der Mutter des L. die Erziehungsleistungen von den Pflegeeltern erbracht würden. Darauf, ob für L. ein gesteigerter Erziehungsbedarf bestehe, komme es nicht an. Eine (unentgeltliche) Verwandtenpflege, wie sie der Beklagten vorschwebe, komme nicht in Betracht. Eine solche Verwandtenpflege könne nur vorliegen, wenn die Unterbringung des Kindes bei den Verwandten entweder in Übereinstimmung mit den Personensorgeberechtigten (unentgeltlich) durchgeführt werde oder nur kurzfristig geplant sei.
Mit Bescheid vom 09.02.2004 hat die Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.11.2002 bis auf weiteres Pflegegeld in Höhe von 501,54 Euro monatlich gewährt. Daraufhin haben die Beteiligten die Hauptsache insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Hinsichtlich des Zeitraums von Januar 2001 bis Februar 2002 haben die Kläger ihre Klage weiterverfolgt. Sie haben darauf verwiesen, dass der Bedarf an Hilfe zur Erziehung bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung im Januar 2001 bestanden habe und von ihnen befriedigt worden sei.
Die Kläger haben beantragt,
soweit die Hauptsache nicht für erledigt erklärt worden ist, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des AfSD vom 06.09.2001 und des senatorischen Widerspruchsbescheids vom 19.02.2002 zu verpflichten, ihnen – den Klägern – Pflegegeld für ihr Pflegekind L. für die Zeit von Januar 2001 bis Februar 2002 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat betont, erst im November 2002 sei ein Bedarf an Hilfe zur Erziehung geltend gemacht worden, der für die beteiligten Fachkräfte nachvollziehbar gewesen sei.
Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt haben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Pflegegeld für den in Rede stehenden Zeitraum. Der Umstand, dass L. keine Mutter mehr habe, die seinen Anspruch auf Pflege und Erziehung in eigener Person erfüllen könne, bewirke nicht notwendig, dass sein erzieherischer Bedarf ohne Hilfe zur Erziehung ungedeckt sei. Die erforderliche Betreuung und Erziehung könne auch ohne öffentliche Jugendhilfe z. B. du...