Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf der Betriebserlaubnis für ein Internat gemäß § 45 Abs. 2 Satz 5 SGB VIII und sofortige Vollziehbarkeit einer anschließenden Untersagung des Betriebes der Einrichtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Wohl von Kindern und Jugendlichen in einem Internat wird durch den illegalen Betrieb der Einrichtung gefährdet, wenn die betroffenen Kinder und Jugendlichen über Jahre hinweg vollständig dem Blickfeld der staatlichen Aufsichtsbehörden entzogen werden.

2. Konkrete Gefährdungen können sich zudem aus der Nichteinhaltung von Bestimmungen über die Sicherheit von Räumlichkeiten und die ausreichende Anzahl, Zuordnung und Qualifizierung von Betreuungspersonen ergeben.

3. Erfolgt im Anschluss an den Widerruf der Betriebserlaubnis gemäß § 45 Abs. 2 Satz 5 SGB VIII eine Untersagung des weiteren Betriebes der Einrichtung, so ist diese ist nicht kraft Gesetzes, insbesondere nicht gemäß § 45 Abs. 2 Satz 7 SGB VIII sofort vollziehbar.

 

Normenkette

VwGO § 80 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 Nrn. 3-4, Abs. 5, § 146 Abs. 4 S. 6; AG VwGO § 20; SGB VIII §§ 44, 45 Abs. 1, 2 Sätze 5, 7; AG KJHG NRW § 21 Abs. 4; AG KJHG Sachsen-Anhalt § 27 Abs. 4

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Beschluss vom 21.05.2010; Aktenzeichen 11 L 456/10)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 21. Mai 2010 – 11 L 456/10 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,– EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 VwGO statthafte Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 21.5.2010 – 11 L 456/10 – ist fristgerecht erhoben und begründet worden. Sie hat indes im Ergebnis keinen Erfolg.

Das Vorbringen des Antragstellers, das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung im Beschwerdeverfahren begrenzt, führt nicht zu der erstrebten Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers vom 5.5.2010 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23.4.2010.

Soweit sich die Klage gegen den in dem angefochtenen Bescheid vom 23.4.2010 enthaltenen Widerruf der dem Antragsteller am 14.9.2007 erteilten Betriebserlaubnis für 8 Plätze im Internat der erweiterten Realschule … richtet, vermochten die Einwände des Antragstellers im Beschwerdeverfahren die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich erfolglos sein wird, nicht zu widerlegen (1.).

Soweit sich die Klage gegen die in dem angefochtenen Bescheid vom 23.4.2010 enthaltene Schließung der nicht genehmigten Einrichtungsteile (7 Plätze am Standort A…, 5 Plätze am Standort B… und 6 Plätze am Standort C… sowie der 8 genehmigten Plätze am Standort A… richtet, fehlt dem vorliegenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bereits das dafür erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Insoweit hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren zu Recht eingewandt, dass die Schließungsverfügung – jedenfalls bislang noch nicht – mit Sofortvollzug ausgestattet ist (2.).

1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die vorab gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug genommen wird, ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der auf § 45 Abs. 2 Satz 5 SGB VIII gestützte Widerruf der dem Antragsteller mit Bescheid vom 14.9.2007 erteilten Betriebserlaubnis für 8 Plätze im Internat der erweiterten Realschule …, nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens keinen rechtlichen Bedenken unterliegt.

Nach der genannten Vorschrift ist eine nach § 45 Abs. 1 SGB VIII erteilte Erlaubnis zum Betrieb einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten (hier: Internat) zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn das Wohl der Kinder oder der Jugendlichen (im folgenden: Kindeswohl) in der Einrichtung gefährdet und der Träger der Einrichtung nicht bereit oder in der Lage ist, die Gefährdung abzuwenden. Dabei müssen objektiv feststellbare Tatsachen vorliegen, aus denen die Gefährdung des Kindeswohls hergeleitet wird. Verdachtsmomente genügen nicht

Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VIII, Stand Juni 2010, § 45 Rdnr. 43.

Derartige Tatsachen sind vorliegend gegeben. Dabei ist der Sachverhalt, aus dem der Antragsgegner die Gefährdung des Kindeswohls hergeleitet hat, im Wesentlichen unstreitig. Ungeachtet der Tatsache, dass ihm mit Bescheid vom 14.9.2007 die Betriebserlaubnis für ein Internat mit nur 8 Plätzen erteilt wurde, hat der Antragsteller bis zum Erlass des Widerrufsbescheides vom 23.4.2010 tatsächlich eine Einrichtung nach § 45 Abs. 1 SGB VIII mit (mindestens) 24 bis zu (maximal) 26 Plätzen betrieben.

Nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers im Rahmen des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens hatte er im Jahre 2006, nach Schließung des ursprünglich betriebenen Internats und dem Umzug von Schule und Internat von der … nach … 18 der vorhandenen 26 Internatsschüler an...

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