Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung des Verschuldens anwaltlicher Hilfspersonen. anwaltliche Überwachungspflicht hinsichtlich dessen Bürokräfte. Versäumnis der Einhaltung der Klagefrist
Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsanwalt genügt seiner hinsichtlich der Eintragung von Fristen im Fristenbuch bestehenden Überwachungspflicht nicht, wenn er billigend zur Kenntnis nimmt, dass seine Bürokraft den Erledigungsvermerk bereits vor der Fristennotierung anbringt und sich in der Folge nicht mehr vergewissert, dass die Frist nachträglich im Fristenbuch notiert wurde.
Normenkette
VwGO § 60 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 173 S. 1; ZPO § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 18. März 2008 – 3 K 1366/07 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.256 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, ist zulässig, aber unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die auf Verpflichtung der Beklagten gerichtete Klage, dem Kläger wegen des Vorfalls vom 11.11.2005 Unfallfürsorge/Unfallausgleich unter Zugrundelegung einer unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 25 v. H. zu gewähren, wegen Versäumung der Klagefrist und Nichtbestehens eines Anspruchs auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist als unzulässig abgewiesen, da er nicht habe glaubhaft machen können, ohne Verschulden an der Fristeinhaltung verhindert gewesen zu sein; vielmehr sei ihm das diesbezüglich festzustellende Verschulden seines damaligen Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Es bestünden hinreichende Anhaltspunkte für ein (eigenes) Verschulden des damaligen Prozessbevollmächtigten insbesondere bei der Organisation des Geschäftsablaufs und der Fristenkontrolle, die über die Fehler im Zusammenhang mit der unterbliebenen Fristeneintragung durch die Bürovorsteherin hinaus gingen.
Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen im Schriftsatz vom 18.06.2008 gibt keine Veranlassung, das Urteil des Verwaltungsgerichts einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht aufgezeigt.
Unter Zugrundelegung des Vorbringens des Klägers zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags ist ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gemessen an den Vorgaben des § 60 VwGO nicht gegeben.
Nach §§ 173 Satz 1 VwGO, 85 Abs. 2 ZPO ist dem Kläger ein Verschulden seines – damaligen – Prozessbevollmächtigten mit der Folge zuzurechnen, dass er nicht im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden verhindert war, die versäumte Klagefrist einzuhalten. Der Kläger stützt seinen Wiedereinsetzungsantrag unter Berücksichtigung seiner durch eine Hinweisverfügung des Verwaltungsgerichts veranlassten späteren Ergänzungen (Stellungnahme des früheren Prozessbevollmächtigten vom 25.02.2008 und Schriftsatz der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 27.02.2008) darauf, dass der damalige Prozessbevollmächtigte den anzufechtenden Widerspruchsbescheid seiner Bürokraft unmittelbar nach dem zur Mandatserteilung führenden Gespräch mit dem Kläger mit der Bitte übergeben habe, die Klagefrist unverzüglich im Fristenbuch und im elektronischen Kalender einzutragen, woraufhin die Angestellte noch in seinem Beisein auf dem Bescheid vermerkt habe, dass die Klagefrist auf den 17.09.2007 notiert sei. Dass die Angestellte die Notierung der Frist sodann vergessen habe, sei dem Prozessbevollmächtigten nach der Rechtsprechung (verwiesen wird insbesondere auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22.01.2008 – VI ZB 46/07 –) nicht zuzurechnen, zumal es sich um eine Einzelanweisung gehandelt habe, hinsichtlich deren Erfüllung er sich auf seine zuverlässig arbeitende Bürokraft habe verlassen dürfen. Diese Argumentation, die vom Verwaltungsgericht mit Blick auf die Annahme eines durch die weitere Behandlung der Angelegenheit bedingten eigenen Organisationsverschuldens des Prozessbevollmächtigten keiner abschließenden Prüfung unterzogen wurde, greift nicht. Nach der einschlägigen Rechtsprechung ist dem früheren Prozessbevollmächtigten fallbezogen das Versäumnis seiner Bürokraft zuzurechnen, da er seiner hinsichtlich der Notierung von Fristen bestehenden Überwachungspflicht nicht nachgekommen ist und die schuldhafte Verursachung einer Fristversäumung durch eine Angestellte den bevollmächtigten Rechtsanwalt nur entlastet, wenn die Angestellte das alleinige Verschulden trifft. (BVerwG, Beschluss vom 12.06.2002 – 7 B 29/02 –, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 245)
Rechtsanwälte unterliegen hinsichtlich der ordnungsgemäßen Notierung von Fristen durch ihr Büropersonal einer Überwachungspflicht, die bedingt, dass sie organisatorische Vorkehrungen d...