Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Niederlassungsfreiheit von Apotheken
Leitsatz (amtlich)
1. Die in Art. 43, 48 des EG-Vertrages gewährleistete Niederlassungsfreiheit für Kapitalgesellschaften setzt sich gegen das deutsche Fremdbesitzverbot für Apotheken in § 7 ApoG durch (Eilverfahren).
2. Eine Behörde kann dies einzelfallbezogen feststellen.
Normenkette
EGV Art. 234, 43, 48, 81, 10; ApoG §§ 7-8, 2-3, 1 Abs. 2
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Beschluss vom 18.09.2006; Aktenzeichen 3 F 39/06) |
Tenor
Unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 18. September 2006 – 3 F 39/06 – werden die Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 20.000,– Euro und unter entsprechender Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts vom 18. September 2006 von Amts wegen auch für das erstinstanzliche Verfahren auf 20.000,– Euro festgesetzt.
Gründe
Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18.9.2006 – 3 F 39/06 –, durch den unter Zurückweisung des Hauptantrags auf Schließung der Apotheke der Beigeladenen die aufschiebende Wirkung der Drittanfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Erlaubnisbescheid des Antragsgegners vom 29.7.2006 wiederhergestellt wurde.
Durch den angefochtenen Bescheid hatte der Antragsgegner der niederländischen Beigeladenen als Kapitalgesellschaft gemäß § 1 Abs. 2 ApoG die Erlaubnis erteilt, eine Apotheke als Filialapotheke der Beigeladenen im Saarland zu betreiben und ferner verfügt, dass die Verpflichtung zur persönlichen Leitung dieser Apotheke in eigener Verantwortung der verantwortlichen Apothekerin als Privatperson obliege. Mit weiterem, im Einzelnen begründeten Bescheid vom 7.8.2006 wurde der Sofortvollzug des Erlaubnisbescheides angeordnet.
Gegen den vorgenannten Beschluss wenden sich sowohl der Antragsgegner als auch die Beigeladene.
In prozessualer Hinsicht ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Senat sich betreffend der hier einschlägigen Verfahrensart den erstinstanzlichen Ausführungen anschließt und eine Überprüfung im Rahmen der §§ 80 a Abs. 3 S. 2, 80 Abs. 5 VwGO vornimmt.
Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (im folgenden EuGH) – wie mit Blick auf die komplexen europarechtlichen Fragen angeregt – kommt aus Sicht des Senats nicht in Betracht.
Im Eilverfahren der vorliegenden Art besteht keine Verpflichtung der nationalen Gerichte, im Falle der Überprüfung europarechtlicher Fragestellungen in ggf. Kollision mit nationalem Recht eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.
Dies hat der EuGH bereits
in seiner Entscheidung vom 24.5.1977 – C-107/76 –
Hoffmann – La Roche –
für den damaligen Art. 177 EWG-Vertrag (heute: Art. 234 EGV) festgestellt und unter RN 5 ausgeführt:
„Artikel 177 hat zum Ziel, die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts in sämtlichen Mitgliedstaaten sicherzustellen; in diesem Rahmen soll Absatz 3 insbesondere verhindern, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen des Gemeinschaftsrechts nicht im Einklang steht. In summarischen und eilbedürftigen Verfahren der hier in Rede stehenden Art, welche die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zum Gegenstand haben, ist den aus dieser Zielsetzung fließenden Anforderungen Genüge getan, wenn in einem ordentlichen Verfahren zur Hauptsache eine erneute Prüfung jeder im summarischen Verfahren nur vorläufig entschiedenen Rechtsfrage möglich ist, gleichgültig, ob dieses Verfahren unter allen Umständen oder nur auf Betreiben der unterlegenen Partei eingeleitet werden muss. Unter diesen Voraussetzungen ist die spezifische Zielsetzung des Artikels 177 Absatz 3 gewahrt, da die Verpflichtung, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen, im Hauptverfahren zum Zuge kommt.”
Hieran hat sich ersichtlich bis heute in der Rechtsprechung des EuGH nichts geändert. Aus den von den Beteiligten angeführten Entscheidungen ergibt sich nichts Gegenteiliges, das Recht eines Gerichts, unter den in Art. 234 EGV genannten Voraussetzungen den EuGH evtl. auch in Eilverfahren anzurufen, ist daneben unbestritten.
Auch das Bundesverfassungsgericht ist
in seinen Beschlüssen vom 19.10.2006 – 2 BvR 2023/06 – und vom 27.4.2005 – 1 BvR 223/05 –, jeweils zitiert nach Juris sowie etwa auch im Beschluss vom 29.11.1991 – 2 BvR 1642/91 –, NVwZ 1992, 360
davon ausgegangen, dass eine Vorlagepflicht nach Art. 234 EGV jedenfalls im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich nicht besteht und zwar selbst dann nicht, wenn die (vorläufige) gerichtliche Entscheidung mit keinen weiteren Rechtsmitteln angegriffen werden kann. In Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH hält es für entscheidend die Möglichkeit einer erneuten Überprüfung in einem Haupt(sache)verfahren, ohne dass die Gerichte an ihre im Eilverfahren vert...