Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen. bei eingetragenem Wohnsitz im Ausstellermitgliedsstaat darf die Gültigkeit im Inland nicht versagt werden
Leitsatz (amtlich)
Den deutschen Führerscheinbehörden ist aufgrund europarechtlicher Vorgaben verwehrt, einem in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein, in dem ein Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat eingetragen ist, die Gültigkeit im Bundesgebiet mit der Begründung zu versagen, es handele sich nach inländischen Erkenntnissen um einen Scheinwohnsitz, den der Betroffene nur begründet habe, um sich einer nach inländischem Recht als Voraussetzung der Neuerteilung der Fahrerlaubnis vorgesehenen Eignungsprüfung zu entziehen.
Normenkette
RL 91/439/EWG Art. 1 Abs. 2 R, Art. 7 Abs. 1, Art. 8 Abs. 2, 4; VwGO § 146 Abs. 4 S. 6; StVG § 3; FeV § 13 Nr. 2c, § 28 Abs. 4 Nr. 3, § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Beschluss vom 05.11.2008; Aktenzeichen 10 L 1422/08) |
Tenor
Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 5. November 2008 – 10 L 1422/08 – wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. Juli 2008 wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens fallen dem Antragsgegner zur Last.
Der Streitwert wird – auch – für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- Euro festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes, durch den der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 28.07.2008 zurückgewiesen wurde, ist begründet.
Zur Begründung seiner Beschwerde bezieht der Antragsteller sich in seinem Schriftsatz vom 18.11.2008 auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofes vom 26.06.2008 (EuGH, Urteile vom 26.06.2008 – verbundene Rechtssachen C-329/06 und C-343/06 –, NJW 2008, 2403 ff., sowie verbundene Rechtssachen C-334/06 bis C-336/06, DAR 2008, 459 ff.) zu der durch die Richtlinie 91/439/EWG vorgegebenen grundsätzlichen Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheine anzuerkennen (Art. 1 Abs. 2 RL), und der Frage, unter welchen Voraussetzungen es einem Mitgliedstaat nach der Richtlinie ausnahmsweise nicht verwehrt ist, eine von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Fahrberechtigung für sein Hoheitsgebiet nicht anzuerkennen. Dieses nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO der Prüfung im Beschwerdeverfahren unterliegende Vorbringen ist geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen – mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats in Einklang stehenden – Entscheidung in Frage zu stellen.
Der Fall des Antragstellers zeichnet sich – wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat – dadurch aus, dass nach Aktenlage davon ausgegangen werden muss, dass der Antragsteller seine nunmehrige Fahrerlaubnis unter rechtsmissbräuchlicher Umgehung der inländischen Vorschriften über die Neuerteilung einer entzogenen Fahrerlaubnis in der Tschechischen Republik erworben hat. Ihm war die Fahrerlaubnis durch Urteil des Amtsgerichts St. Wendel vom 01.09.2006 wegen Trunkenheit im Straßenverkehr bei einem Blutalkoholgehalt von 2,04 0/00 unter Anordnung einer Sperrfrist von vier Monaten entzogen worden. Im Inland hätte ihm eine neue Fahrerlaubnis ohne vorherige Ausräumung der bestehenden Eignungszweifel nicht erteilt werden dürfen (§ 3 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und § 13 Nr. 2c FeV). Am 15.01.2007 hat der Antragsgegner den Antragsteller in einem persönlichen Gespräch auf die Notwendigkeit der Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens hingewiesen, worauf dieser von einer Beantragung der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis im Inland abgesehen hat. Am 14.01.2008 hat der Antragsteller, der seinen ständigen Wohnsitz nach Erkenntnissen des Antragsgegners seit 1984 durchgehend in der Gemeinde A-Stadt hat, in der Tschechischen Republik eine neue Fahrerlaubnis der Klasse B erworben, in der als Wohnsitz die tschechische Ortschaft S… eingetragen ist.
Der Europäische Gerichtshof hat in seinen Urteilen vom 26.06.2008 zu der in derartigen Fallgestaltungen aufgeworfenen Missbrauchsproblematik nicht umfassend Stellung bezogen. Insbesondere hat er die Frage, ob es dem Aufnahmemitgliedstaat nach den maßgeblichen europarechtlichen Vorschriften ausnahmsweise erlaubt ist, einer in einem anderen EG-Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis die Anerkennung für sein Hoheitsgebiet zu versagen, wenn dem Fahrerlaubnisinhaber zuvor in seinem Hoheitsgebiet die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, ihm nach inländischem Recht wegen fortbestehender Eignungszweifel eine neue Fahrerlaubnis derzeit nicht ausgestellt werden könnte und nach innerstaatlichen Erkenntnissen gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der in dem Ausstellermitgliedstaat begründete Wohnsitz nicht wegen persönlicher oder beruflicher Bindungen i.S.d. Art. 9 Abs. 1 RL, sondern allein zum Z...