Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungspolizeiliches Einschreiten gegen Vermittlung von Sportwetten durch Drittstaater an im EU-Ausland ansässige und dort konzessionierte Wettveranstalter
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Angehöriger eines Drittstaates (hier: türkischer Staatsangehöriger) ist, wie sich schon aus dem Wortlaut von Art. 49 Abs. 1 EGV ergibt, nicht Träger der Dienstleistungsfreiheit.
2. Nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilrechtschutzverfahrens spricht nichts dafür, dass ein türkischer Staatsangehöriger auf der Grundlage eines Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Türkei Begünstigter der durch Art. 49 EGV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit ist.
3. Gleichwohl stellt sich in Anbetracht der Zweifel an der Vereinbarkeit des ordnungsbehördlichen Vorgehens gegen die Vermittlung von Sportwetten an in EU-Mitgliedstaaten ansässige und dort konzessionierte Wettveranstalter durch Unionsbürger und in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EGV mit der gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit die Frage der Rechtmäßigkeit des Einschreitens gegen einen Drittstaater unter dem Gesichtspunkt des vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im weiteren Sinne mit umfassten Erfordernisses der Geeignetheit der umstrittenen Anordnung.
Normenkette
EGV Art. 49 Abs. 1, Art. 55, 48
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Beschluss vom 23.11.2006; Aktenzeichen 6 F 45/06) |
Tenor
Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 23. November 2006 – 6 F 45/06 – wird die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides des Antragsgegners vom 6. Juli 2006 ausgesetzt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,– Euro festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller vermittelt jedenfalls seit Anfang Juli 2006 – genauere Angaben über die Aufnahme seiner Tätigkeit lassen sich weder seinem Vorbringen noch der Verwaltungsentscheidung entnehmen – in seinen Geschäftsräumen in Lebach, P. Straße, Sportwetten mit fester Gewinnquote an die in Österreich ansässige und dort als Veranstalterin von Sportwetten konzessionierte Happybet Sportwetten GmbH.
Mit Bescheid vom 6.7.2006 untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller unter gleichzeitiger Anordnung des Sofortvollzuges und Androhung sowie aufschiebend bedingter Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,– Euro für den Fall der Nichtbefolgung mit sofortiger Wirkung die Vermittlung und Bewerbung von Sportwetten für im Saarland nicht konzessionierte Veranstaltungen in seiner Betriebsstätte. Die Auszahlung von Wettgewinnen wurde ihm bis zum 11.8.2006 gestattet. Die Anordnung ist auf die § 8 SPolG in Verbindung mit den §§ 2, 3 und 5 LottStV2004 und die §§ 2 Abs. 1, 4 SportwettG gestützt. Außerdem ist § 284 StGB angeführt.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller unter dem 12.7.2006 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist. Am 12.7.2006 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 23.11.2006 hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides vom 6.7.2006 auszusetzen. Gegen diesen am 29.11.2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am selben Tag Beschwerde erhoben und diese am 27.12.2006 begründet. Er verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß § 146 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Nach dem Ergebnis der durch das Beschwerdevorbringen begrenzten (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung in dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren hat der Antragsteller einen Anspruch auf Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides vom 6.7.2006.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die umstrittene ordnungsbehördliche Anordnung des Antragsgegners nicht als offensichtlich rechtmäßig. Nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens muss der Ausgang des Hauptsacheverfahrens noch als offen angesehen werden. Die in einem solchen Falle vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus.
Das Verwaltungsgericht hat die umstrittene Anordnung im Rahmen seiner Beurteilung unter anderem an den europarechtlichen Gewährleistungen der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) und des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EGV) gemessen und ist zu dem Ergebnis gelangt, es bestehe kein Anlass zu der Annahme, dass das derzeit praktizierte Sportwettenmonopol gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstoße.
Die gegen diesen Teil der verwaltungsgerichtlichen Würdigung vorgebrachten Einwände der Beschwerde greifen mit der Maßgabe durch, dass der Senat – objektiv rechtlich – die Vereinbarkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung mit der durch Art. 49 EGV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit für zumindest zweifelhaft und die Rechtmäßigkeit des ordnungsbehördlichen Einschreitens gegen den Antragsteller, obschon dieser weder dargetan noch...