Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung der Geschäftsführer einer GmbH für auf der Grundlage der §§ 160, 162 AO 1977 nacherhobene Gewerbesteuern
Leitsatz (amtlich)
1. Kommt der Steuerschuldner einem Benennungsverlangen nach § 160 AO nicht nach und nimmt der Fiskus dies zum Anlass, einen im Wege der Schätzung nach § 162 AO bestimmten Teil der geltend gemachten Betriebsausgaben nicht zum Abzug zuzulassen und dementsprechend geänderte Gewerbesteuermessbescheide zu erlassen, so führt dies ex nunc zur Entstehung einer Gewerbesteuernachforderung.
2. Die in der die Haftung des Vertreters des Steuerschuldners anordnenden Vorschrift des § 69 AO geregelte Tatbestandsvariante der Nichtfestsetzung bzw. der nicht rechtzeitigen Festsetzung der Steuerschuld scheidet bezüglich einer so begründeten Steuernachforderung regelmäßig aus. Der Vertreter haftet daher nur, wenn die nachentstandene Steuerschuld nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt wird und dies ursächlich auf eine schuldhafte Verletzung der ihm durch §§ 34 und 35 AO auferlegten Pflichten zurückzuführen ist.
Normenkette
VwGO § 80 Abs. 4 S. 3, § 146 Abs. 4 S. 6; GmbHG § 35 Abs. 1; AO § 3 Abs. 4, §§ 34-35, 37 Abs. 1, § 69 Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 1 S. 1, § 191
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11. März 2010 – 11 L 729/09 – wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 329.282,97 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Antragsteller sind Geschäftsführer der 1984 gegründeten, mit dem An- und Verkauf von Schrott und Metallen befassten C… GmbH – im Folgenden: GmbH –, die durch Gesellschafterbeschluss vom 30.1.2009 in die Firma V… GmbH umfirmiert wurde und deren alleinige Gesellschafterin seit dem 17.8.2006 die Firma G… & H… GmbH ist. Geschäftsführer und Gesellschafter zu je 50 % dieser Träger-GmbH sind ebenfalls die Antragsteller.
Anlässlich der Steuererklärungen für die Jahre 1999, 2000 und 2001 wurden unter der Bezeichnung “Einkauf Schrotte und Metalle ohne Vorsteuer von Privatpersonen” Betriebsausgaben in beträchtlicher – jeweils siebenstelliger – Höhe geltend gemacht und in den jeweiligen Steuerbescheiden des Finanzamtes N… berücksichtigt. Im Rahmen einer zwischen dem 23.11.2003 und dem 19.6.2006 durchgeführten Betriebsprüfung durch das zwischenzeitlich zuständige Finanzamt A…-Stadt mit Abschlussbesprechung am 26.5.2008 ergaben sich Zweifel daran, ob die in der Buchführung der GmbH als nicht umsatzsteuerpflichtige Empfänger vorbenannter Betriebsausgaben aufgelisteten Personen tatsächlich im behaupteten Umfang Material bei der GmbH angeliefert und dementsprechend die unter ihren Namen verzeichneten Barauszahlungen erhalten haben. Dies nahm der Betriebsprüfer zum Anlass, die GmbH in Anwendung des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO aufzufordern, hinsichtlich der Identität der Empfänger der als Betriebsausgaben geltend gemachten Barauszahlungen einen lückenlosen Nachweis zu führen. Im Folgenden wurden die diesbezüglichen Angaben der GmbH als nicht vollständig bzw. zum Teil als unrichtig erachtet. Der Betriebsprüfer kam zu dem Ergebnis, dass “zwar Betriebsausgaben dem Grunde nach vorliegen – denn es wurde ja Schrott weiterveräußert –, diese aber steuerlich nicht abzugsfähig sind, weil die Fa… dem nach Rechtsauffassung der Bp rechtmäßigen Benennungsverlangen nicht nachgekommen ist” (Bericht vom 10.7.2008 über die Betriebsprüfung, Seite 7, Bl. 178 der Verwaltungsakte 1 des Antragsgegners). Dies veranlasste ihn, die Betriebsausgaben “Wareneinkauf ohne Vorsteuer” im Wege der Schätzung (§ 162 AO) auf der Grundlage des § 160 AO um 60 % zu kürzen. Am 13.11.2008 ergingen entsprechend geänderte Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 1999 bis 2001. Am 28.11.2008 ordnete das Finanzamt A…-Stadt den Arrest in das Vermögen der GmbH an. Durch – in Bestandskraft erwachsene – Gewerbesteueränderungsbescheide vom 8.1.2009 setzte der Antragsgegner die von der GmbH für die Jahre 1999 bis 2001 zu entrichtenden Gewerbesteuern unter Berücksichtigung der geänderten Gewerbesteuermessbeträge neu fest und erließ schließlich am 29.7.2009 den verfahrensgegenständlichen Haftungsbescheid gegenüber den Antragstellern. Durch diesen werden die Antragsteller wegen vorsätzlicher, zumindest aber grob fahrlässiger Verletzung der ihnen als Geschäftsführer der GmbH obliegenden steuerrechtlichen Pflichten persönlich und gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen, wobei die auf der Grundlage der §§ 160, 162 AO nachzuzahlenden Gewerbesteuern auf insgesamt 981.861,92 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 394.178,– EUR beziffert sind.
Am 13.9.2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.
Durch Beschluss vom 11.3.2010 – 11 L 729/09 – hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen den Haftungsbescheid angeordnet und dies im K...