Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen einer Gehörsrüge
Leitsatz (amtlich)
Kumykischen Volkszugehörigen aus Dagestan steht innerhalb der Russischen Föderation jedenfalls eine inländische Fluchtalternative offen. Eine landesweite Gruppenverfolgung von Wahabiten ist nach der Erkenntnislage nicht anzunehmen.
Normenkette
AufenthaltsG § 60 Abs. 1, 7; AsylVfG § 78 Abs. 3, 4 S. 4
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Urteil vom 24.03.2005; Aktenzeichen 12 K 186/04.A) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 12 K 186/04.A – wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Antragsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren im zweiten Rechtszug wird abgelehnt.
Gründe
Dem Antrag des im Jahre 2004 in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten Klägers, der Staatsangehöriger der russischen Föderation kumykischer Volkszugehörigkeit ist, auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 24.3.2005, mit dem das Verwaltungsgericht seine Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Bestehens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthaltsG abgewiesen hat, kann nicht entsprochen werden.
Das Vorbringen des Klägers in der Begründung seines Zulassungsantrages, das den gerichtlichen Prüfungsumfang in dem vorliegenden Verfahren begrenzt, rechtfertigt die erstrebte Berufungszulassung weder wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) noch wegen der behaupteten Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG).
Soweit der Kläger unter Hinweis auf nicht näher bezeichnete Stellungnahmen der Gesellschaft für bedrohte Völker bezüglich des Tschetschenienkonflikts und den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 26.3.2004 zu Willkür, unmenschlicher Behandlung und Folter gegen „bestimmte Minderheiten und nationale Gruppen” durch Behörden und Sicherheitskräfte – pauschal – die Frage als grundsätzlich bedeutsam bezeichnet, ob kumykischen Volkszugehörigen außerhalb Dagestans in der russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative offensteht, bestehen bereits Bedenken, ob damit dem Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG genügt ist. Danach sind in dem Zulassungsantrag die Gründe „darzulegen”, aus denen die Berufung nach Auffassung des jeweiligen Antragstellers zuzulassen ist. Die Vorschrift erfordert neben einer zweifelfreien Angabe, auf welche(n) der in § 78 Abs.3 Nr. 1 bis 3 AsylVfG abschließend aufgeführten Zulassungstatbestände sich der Antragsteller beruft, insbesondere eine diesbezügliche inhaltliche Auseinandersetzung mit der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung
vgl. in dem Zusammenhang etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 21.4.2005 – 2 Q 46/04 – und vom 28.4.2004 – 1 Q 26/04.
Die aufgeworfene Frage lässt sich aber auch anhand der aktuellen Erkenntnislage beantworten. So ist zu der Minderheit der tschetschenischen Volksgruppe in der Russischen Föderation unter eingehender und überzeugender Würdigung der vorhandenen Erkenntnisquellen in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes geklärt,
hierzu Entscheidungen des 2. Senats vom 23.6.2005 – 2 R 4/04 –, 2 R 17/03 –, – 2 R 16/03 – und – 2 R 11/03 – sowie vom 21.4.2005 – 2 Q 46/04 –; sich hieran anschließend Beschluss des 3. Senats vom 29.5.2006 – 3 Q 1/06 –; siehe auch die zu 2 R 16/03 und 2 R 11/03 ergangenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.5.2006 – 1 B 100.05 – und 1 B 101.05 –.
dass eine landesweite Kollektivverfolgung aller tschetschenischen Volkszugehörigen im (gesamten) Staatsgebiet der Russischen Föderation bei Anlegung der hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten strengen Maßstäbe ungeachtet der sich im Gefolge von Terroranschlägen in der jüngeren Vergangenheit verschärfenden Spannungen und Vorbehalte nicht festgestellt werden kann. Nach den dortigen Feststellungen lässt sich nach dem vorliegenden Auskunftsmaterial weder ein staatliches (russisches) Verfolgungsprogramm mit dem Ziel einer physischen Vernichtung und/oder der gewaltsamen Vertreibung aller Tschetschenen aus dem Staatsgebiet nachweisen, noch lassen bekannt gewordene Einzelverfolgungsmaßnahmen mit Blick auf die zahlenmäßige Größe der die bei weitem größte der im Nordkaukasus beheimateten Ethnien stellenden Volksgruppe der Tschetschenen die Feststellung einer die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung gebietenden Verfolgungsdichte zu.
Selbst bei Anlegung des in der Rechtsprechung für die Fälle der so genannten Vorverfolgung im Heimatland entwickelten „herabgestuften” Prognosemaßstabs für die Feststellung einer Rückkehrgefährdung steht nach der o.g. Rechtsprechung den aus Tschetschenien stammenden Bürgern der Russischen Föderation russischer Volkzugehörigkeit aber auch ethnischen Tschetschenen in anderen Regionen...