Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhebung von Niederschlagswassergebühren von Bundes- und Landstraßen
Leitsatz (amtlich)
1. Die rückwirkende Inkraftsetzung einer Niederschlagswassergebühren-Satzung verstößt gegenüber Gebührenschuldnern, die nach der vorher angewandten Gebührensatzung für die Einleitung von Niederschlagswasser nicht gebührenpflichtig waren, gegen das Rückwirkungsverbot, wenn die Nichteinbeziehung dieser Niederschlagswasser-Einleiter nicht rechtswidrig war.
2. Die Erhebung von Niederschlagswassergebühren für die Oberflächenentwässerung von Bundes- und Landstraßen verstößt im Saarland nicht gegen höherrangiges Recht.
3. Fallen bei einer Straße Eigentum und Straßenbaulast auseinander, ist die Erhebung von Niederschlagswassergebühren für die Oberflächenentwässerung der Straße nicht zulässig, wenn die Abwassergebühren-Satzung die Heranziehung des Straßenbaulastträgers zu Niederschlagswasser-gebühren nicht vorsieht.
4. Die Richtlinien für die rechtliche Behandlung von Ortsdurchfahrten der Bundesstraßen – Ortsdurchfahrtsrichtlinien – stehen einer Erhebung von Niederschlagswassergebühren für die Oberflächenentwässerung von Bundes- und Landstraßen nicht generell entgegen, da sie einer Umsetzung durch Vereinbarungen im Einzelfall bedürfen.
Normenkette
ABGS § 20 Abs. 1; FStrG § 5 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Urteil vom 22.09.2006; Aktenzeichen 11 K 9/06) |
Tenor
Unter entsprechender Abänderung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. September 2006 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 11 K 9/06 – werden die Bescheide des Beklagten vom 24. Januar 2002 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 10. Juni 2003, des Neufestsetzungsbescheides vom 17. Dezember 2003, des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2005 und der in der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2007 zu Protokoll erklärten Änderung aufgehoben, soweit der Kläger darin zu Niederschlagswassergebühren für das Jahr 1999 in Höhe von 93.623,46 EUR und für das Jahr 2000 in Höhe von mehr als 55.133,00 EUR herangezogen worden ist.
Die Entscheidung über die Berufung im Übrigen sowie die Kostenentscheidung bleiben vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Mittelstadt St. Ingbert hat am 05.09.2000 eine Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Abwasseranlage (Abwasserbeitrags- und Gebührensatzung – ABGS) erlassen, die rückwirkend zum 01.01.1999 in Kraft gesetzt worden ist. Mit der Satzung vom 05.09.2000 ist die getrennte Erhebung von Schmutz- und Niederschlagswassergebühren im Gebiet des Beklagten eingeführt worden.
Mit an das Landesamt für Straßenwesen gerichtetem Bescheid des Beklagten vom 24.01.2002 (Abgabenkontonummer …029) wurden für die Jahre 1999 und 2000 Kanalbenutzungsgebühren für die Ableitung des Niederschlagswassers von im Bereich St. Ingbert-Mitte gelegenen Flächen der Bundes- und Landstraßen in Höhe von insgesamt 120.308,92 EUR (= 235.303,80 DM) festgesetzt, wobei eine gebührenrelevante Fläche von 99.705 m² zugrunde gelegt wurde. Mit weiterem an das Landesamt für Straßenwesen gerichteten Bescheid vom 24.01.2002 (Abgabenkontonummer …037) wurden für die Flächen der Bundes- und Landstraßen in St. Ingbert-Ortsteile für die Jahre 1999 und 2000 Kanalbenutzungsgebühren in Höhe von insgesamt 61.044,30 EUR (= 119.392,40 DM) festsetzt, wobei eine gebührenrelevante Fläche von 50.590 m² zugrunde gelegt wurde. In beiden Bescheiden findet sich der folgende Hinweis: „Wir weisen Sie darauf hin, dass trotz mehrmaliger Aufforderung kein Fragebogen zur Niederschlagswassergebühr von Ihnen abgegeben wurde. Die in der Tabelle aufgeführten Daten beziehen sich auf Auswertungen von Luftbildkarten.”
Gegen diese Bescheide legte das Landesamt für Straßenwesen jeweils am 21.02.2002 Widerspruch ein. Zur Begründung trug es vor, den Trägern der öffentlichen Verkehrsanlagen obliege gemäß § 50 b Abs. 4 SWG die Beseitigung des Niederschlagswassers selbst. Sie hätten diese Aufgabe durch eigene Anlagen zu erledigen oder könnten sich bei der Erfüllung dieser Pflicht Dritter bedienen, was nur in einem partnerschaftlichen Vertragsverhältnis geregelt werden könne. Grundsätzlich gehöre die Oberflächenentwässerung zur Baulast. Innerhalb der Ortslage müsse das anfallende Niederschlagswasser in der Regel gemeinsam mit dem häuslichen Abwasser entsorgt werden. Diese Problematik habe der Bundesgesetzgeber bereits vor mehr als 40 Jahren erkannt und die Richtlinien für die rechtliche Behandlung von Ortsdurchfahrten der Bundesstraßen – Ortsdurchfahrtsrichtlinien (ODR) – vom 18.08.1962 erlassen, die auch im Saarland verbindlich eingeführt worden seien. Mit ihnen werde unter anderem die Gemeinsamkeit einer Entwässerungsanlage geregelt. Mit der Stadt St. Ingbert bzw. den jeweiligen Vorgängergemeinden seien Vereinbarungen getroffen worden, dass eine gemeinsame Ortskanalisation gebaut werde, an deren Kosten sich die Straßenbauverwaltung beteilige und im Gegenzug sich die Kommune unwiderruflich verpflichte, das Ob...