Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltendmachung von Verfahrensfehlern bei einer Diplomprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verletzt ein Diplomand die aus dem Prüfungsrechtsverhältnis resultierende Obliegenheit zu einer ihm zumutbaren zeitnahen Rüge eines Fehlers im Prüfungsverfahren, so ist ihm die spätere Berufung auf die Beachtlichkeit eines derartigen Verfahrensfehlers verwehrt.

2. Die Anforderungen an die (ordnungsgemäße) Betreuung einer universitären Diplomarbeit sind vorrangig an dem Zweck der Prüfungsleistung zu orientieren. Eine universitäre Diplomarbeit stellt grundsätzlich (hier gemäß § 11 Abs. 1 PO) eine Prüfungsleistung dar, die zeigen soll, dass der Kandidat in der Lage ist, innerhalb einer vorgegebenen Frist ein Problem aus seiner Fachrichtung selbständig nach wissenschaftlichen Methoden zu bearbeiten.

3. Eine selbständige Bearbeitung nach wissenschaftlichen Methoden beinhaltet nicht, dass der Betreuer der Arbeit den kompletten Hergang der Arbeit zeitlich engmaschig zu überwachen, kontinuierlich darauf Einfluss zu nehmen, ständig Nachfrage zu halten oder sämtliche relevanten Quellen vorzugeben hätte. Sie fordert von dem Prüfungskandidaten selbst eine vorausschauende Organisation der Arbeitsschritte, ein entsprechendes Zeitmanagement sowie eine selbständige Recherche von Quellen.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 18.08.2010; Aktenzeichen 6 B 24.10)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger studiert seit dem Wintersemester 1995/96 Psychologie an der Universität des Saarlandes.

Am 30.7.2003 beantragte er beim Beklagten erstmals die Zulassung zur Diplomprüfung in Psychologie nach den Regelungen der Prüfungsordnung (PO) vom 14.2.1996 und entschied sich für die so genannte Staffelprüfung. Nach Ablegung der letzten Teilprüfung meldete er unter dem 29.6.2004 seine Diplomarbeit mit dem Thema “Gewalt in Fernsehnachrichten – Emotion und Sprache” an. Als Abgabetermin für die Arbeit wurde mit Schreiben vom 7.7.2004 der 14.12.2004 bestimmt.

Mit Schreiben vom 17.12.2004 beantragte der Kläger gemäß § 23 Abs. 4 PO die Verlängerung der Bearbeitungszeit der Diplomarbeit um drei Monate. Zur Begründung führte er aus, im Laufe der Erstellung der Arbeit hätten sich Aspekte ergeben, die eine Erweiterung der statistischen Methode erforderlich machten. Darüber hinaus lägen mittlerweile einige aktuellere Studien vor, die er berücksichtigen wolle.

Der Beklagte gab dem Verlängerungsantrag mit Schreiben vom 21.12.2004 statt und setzte als neuen Abgabetermin den 14.3.2005 fest. Nachdem dieser Termin verstrichen war, wies der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 21.4.2005 darauf hin, dass er seine Diplomarbeit nicht fristgemäß zum 14.3.2005 abgeliefert habe und forderte ihn auf, die versäumte Ablieferung unverzüglich, spätestens bis zum 2.5.2005, nachzuholen. Sollte er dieser Aufforderung nicht nachkommen, sei damit zu rechnen, dass die Diplomarbeit gemäß § 14 Abs. 2 PO als nicht bestanden gewertet werde.

Nachdem der Kläger auch zu diesem Termin keine Diplomarbeit eingereicht hatte, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 19.5.2005 fest, dass der Kläger seine Diplomarbeit nicht fristgemäß zum 14.3.2005 beim Prüfungsamt abgeliefert habe. Gemäß § 13 Abs. 1 PO gelte diese Prüfungsleistung damit als “nicht ausreichend” und die Diplomprüfung als nicht bestanden. Zugleich wies er darauf hin, dass eine Diplomarbeit gemäß § 15 Abs. 1 PO einmal wiederholt werden könne, wobei die wiederholte Bearbeitung des gleichen Themas ausgeschlossen sei. Er forderte den Kläger auf, spätestens bis zum 1.7.2005 ein neues Thema für die Diplomarbeit anzumelden.

Der Kläger legte hiergegen keinen Rechtsbehelf ein, sondern meldete unter dem Datum 30.6.2005 eine neue Diplomarbeit an und schlug als Thema “Emotional Framing – Inhaltsanalyse von TV-Nachrichten in Bezug auf Vermittlung kognitiver Appraisalschritte” vor. Als Bearbeitungsbeginn ist in dem Formular, das unter der Rubrik “Bestätigung und Aufgabenumschreibung durch den Betreuer/die Betreuerin” von seiner Betreuerin A… am 26.7.2005 sowie vom Zweitgutachter am 27.7.2006 unterschrieben wurde, der 1.7.2005 genannt, wobei das angegebene Datum vom Schriftbild her der Handschrift des Klägers und dem von diesem verwendeten Schreibgerät in der Rubrik “Anmeldung” entspricht. Unter dem handschriftlich angegebenen Ausgabetermin 1.7.2005 steht der formularmäßig gedruckte Hinweis: Die Bearbeitungszeit beträgt sechs Monate.

Mit seinem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 25.7.2005 gab der Beklagte als Abgabetermin für die Arbeit den 9.1.2006 an. Hinsichtlich der Aufgabenstellung wurde auf die mündliche Absprache mit dem Betreuer Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 9.1.2006 – beim Beklagten eingegangen am 10.1.2006 – beantragte der Kläger beim Beklagten die Verlängerung der Bearbeitungszeit (auch) für diese Diplomarbeit u...

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