Entscheidungsstichwort (Thema)
Disziplinarverfahren. Steuergeheimnis. Steuerhinterziehung. Verwertungsverbot. Finanzbeamter
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein nach der Saarländischen Disziplinarordnung eingeleitetes förmliches Disziplinarverfahren nach Inkrafttreten des Saarländischen Disziplinargesetzes eingestellt und die Einstellungsverfügung mit einer Disziplinarverfügung verbunden, richten sich Rechtsbehelfe gegen die Disziplinarverfügung und Rechtsmittel gegen im anschließenden gerichtlichen Verfahren ergehende Entscheidungen nach neuem Recht.
2. Aus dem Begründungsgebot des § 33 VI SDG folgt, dass in einer Disziplinarverfügung der der Ahndung zugrunde liegende Sachverhalt geschildert, der daraus abgeleitete Vorwurf eines Dienstvergehens beschrieben, die Schuldform benannt und Art und Maß der disziplinaren Ahndung begründet werden müssen. Ob diese Anforderungen erfüllt sind, ist aus der Sicht des Adressaten der Disziplinarverfügung zu beurteilen.
3. Ein Fall unbefugter Hilfe in Steuerangelegenheiten (§§ 5, 160 StBerG) liegt nur vor, wenn die Hilfe selbständig in der Absicht der Wiederholung geleistet wird; daran fehlt es, wenn jemand in einer Steuerberaterpraxis Steuererklärungen lediglich vorbereitet, die der Steuerberater überprüft und fertig stellt und allein verantwortet.
4. Wer Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in seiner Einkommensteuererklärung verschweigt, macht sich auch dann der Steuerhinterziehung schuldig, wenn er dafür sorgt, dass ein anderer diese Einkünfte versteuert; das gilt selbst dann, wenn “per Saldo” kein Steuerausfall eintritt.
5. Steuerhinterziehung durch einen in der Steuerveranlagung tätigen Beamten stellt, obwohl ein außerdienstliches Fehlverhalten vorliegt, in aller Regel wegen der Nähe des Fehlverhaltens zu den beruflichten Kernpflichten ein ahndungswürdiges Dienstvergehen dar.
6. Ein unter dem Verdacht fortgesetzter Steuerhinterziehung und fortgesetzter unerlaubter Hilfeleistung in Steuerangelegenheiten stehender Finanzbeamter kann in aller Regel bis zur endgültigen Klärung der Vorwürfe nicht länger in der Steuerveranlagung Dienst leisten. Um eine entsprechende Entscheidung zu ermöglichen, ist die Steuerfahndung auch unter Berücksichtigung des hohen Ranges des Steuergeheimnisses berechtigt, den Dienstherrn über den bestehenden Verdacht und die zugrunde liegenden Tatsachen zu informieren.
7. Im Rahmen eines Disziplinarverfahrens ist die Unterrichtung des Dienstherrn durch die Steuerfahndung über unter das Steuergeheimnis fallende Tatsachen zulässig, sofern diese Tatsachen geeignet sind, eine Rangherabsetzung zu rechtfertigen; dabei kommt es für die Bewertung auf die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Informationsweitergabe an; dass diese Bewertung später nicht mehr aufrechterhalten werden kann, berührt die Rechtmäßigkeit der Informationsweitergabe nicht.
8. Die Rechtmäßigkeit der Informationsweitergabe ist vom Gericht anhand der gesetzlichen Vorgaben zu beurteilen; welche Erwägungen die Steuerfahndung angestellt hat, ist unerheblich.
9. Der Hemmungstatbestand des § 5 II SDO ist auch dann erfüllt, wenn der dem Strafverfahren zugrunde liegende Sachverhalt nur einen Teil des Dienstvergehens erfasst.
10. “Derselbe Sachverhalt” im Sinne der §§ 4 SDO, 14 SDG liegt nur vor, wenn der Sachverhalt, der der gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung zugrunde liegt, und der Sachverhalt, um dessen disziplinare Ahndung es geht, deckungsgleich sind.
Normenkette
EMRK Art. 6 Abs. 1 S. 1; AO §§ 30, 370; EStG § 40a; StPO § 153 a; BRRG § 125c; SDG §§ 14, 33 Abs. 6, § 85 Abs. 3; SDO §§ 4, 5 Abs. 2, §§ 27, 32 Abs. 3, § 56; SBG § 79; NtVO § 5; StBerG §§ 5, 160
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 7. Februar 2008 – 7 K 131/07 – teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
Die in der Verfügung des Beklagten vom 27. Dezember 2006 verhängte Geldbuße wird auf 400,-- EUR herabgesetzt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die am … 1955 geborene Klägerin wurde nach dem Besuch der Volks- und Handelsschule zum 2.11.1972 als Steueranwärterin in das Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen. Nachdem sie am 30.4.1974 die Laufbahnprüfung für den mittleren Dienst bestanden hatte, wurde sie mit Wirkung vom 1.5.1974 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Steuerassistentin zur Anstellung ernannt. Am 24.5.1976 erfolgte die Ernennung zur Steuerassistentin und am 8.12.1977 beziehungsweise 1.8.1980 die Beförderungen zur Steuersekretärin beziehungsweise zur Steuerobersekretärin. Am 3.9.1982 wurde die Klägerin, die inzwischen die Fachhochschulreife erworben hatte, zur Beamtin auf...