Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtsangemessene Alimentierung kinderreicher Beamter
Leitsatz (amtlich)
1. Die Alimentation von Beamten der Besoldungsgruppe A 11 mit drei Kindern entspricht in der Zeit vom 01.01. bis zum 31.10.2004 sowie im Jahr 2006 nicht den konkreten und weiterhin bindenden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in dessen Beschluss vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 –, BVerfGE 99, 300 (321 ff. zu C III 3). Dagegen sind diese Vorgaben in der Zeit vom 01.07. bis zum 31.12.2005 für vorgenannte Beamte erfüllt.
2. Die Vollstreckungsanordnung ist – bis einschließlich des Jahres 2006 – nicht wegen Änderungen bei den Berechnungsgrundlagen gegenstandslos geworden. Insbesondere stehen die unterschiedlichen Regelungen der jährlichen Sonderzuwendungen in Bund und Ländern seit dem 1.1.2004 sowie das Außer-Kraft-Treten des Bundessozialhilfegesetzes mit Ablauf des 31.12.2004 der Anwendbarkeit der Vollstreckungsanordnung nicht entgegen.
3. Zahlungsansprüche auf zusätzliche kindbezogene Leistungen für dritte und weitere Kinder unter Berufung auf die Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 24. November 1998 in der Interpretation des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 17. Juni 2004 – 2 C 34.02 – müssen zeitnah, d.h. im jeweils laufenden Haushaltsjahr, geltend gemacht werden.
Normenkette
BBesG § 2 Abs. 1, § 40 Abs. 2; BVerfGG § 31 Abs. 2 S. 2, § 35; EStG § 32 Abs. 6, 5, § 31 S. 4, § 33c
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Urteil vom 30.05.2006; Aktenzeichen 3 K 16/05) |
Nachgehend
Tenor
Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen des Klägers und des Beklagten wird das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. Mai 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 3 K 16/05 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 01.01. bis zum 31.10.2004 222,48 EUR und für das Jahr 2006 31,32 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 3/5 und der Beklagte zu 2/5.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen, soweit Ansprüche des Klägers auf zusätzliche kindbezogene Leistungen für die Jahre 2001 bis 2003 abgelehnt wurden; im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, seit dem 01.10.1996 Polizeihauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11) im saarländischen Polizeidienst, ist verheiratet und Vater von vier am 20.07.1977, 14.06.1985, 06.05.1988 sowie 19.03.1993 geborenen Kindern. Für sein ältestes Kind erhält der Kläger seit dem Abschluss der Berufsausbildung am 31.01.1999 keine kindbezogenen Besoldungsleistungen mehr; für das zweitälteste Kind wurden die genannten Leistungen wegen Antritts des Zivildienstes zum 01.11.2004 eingestellt, mit Beginn des Studiums am 01.07.2005 aber wieder aufgenommen.
Mit Schreiben vom 17.12.2004, eingegangen am 22.12.2004, legte der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.06.2004 gegen seine „kinderbezogene Besoldung 2001” „Einspruch” ein.
Durch Bescheid vom 28.12.2004 lehnte der Beklagte das als Antrag auf Anpassung des Familienzuschlages verstandene Begehren des Klägers ab. Die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betreffe einen Einzelfall ohne Bindungswirkung für ähnliche oder vergleichbare Fälle. Der Gesetzgeber habe mit besoldungsrechtlichen Regelungen sowie weiteren allgemeinen steuerrechtlichen und sozialpolitischen Verbesserungen der vergangenen Jahre die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu den kindbezogenen Leistungen für dritte und weitere Kinder von Beamten berücksichtigt.
Den hiergegen am 10.01.2005 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom 18.01.2005 zurück. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stehe einem Beamten der Besoldungsgruppe A 14 mit drei Kindern ein höherer Familienzuschlag zu, soweit die gesetzlich bestimmte Besoldung nicht den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998 entspreche. Dabei gehe das Bundesverwaltungsgericht offensichtlich davon aus, dass die Regelungen zum Familienausgleich dem Grunde nach nicht zu beanstanden seien. Aufgrund des Gesetzesvorbehalts in § 2 Abs. 1 BBesG, der für die gesamte Beamtenbesoldung gelte, sei ein höherer Familienzuschlag für dritte und weitere Kinder nicht möglich.
Zur Begründung der am 18.02.2005 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, der Beklagte sei im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 – und des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.06.2004 – 2 C 34.02 – seiner Pflicht zur amtsangemessenen Alimentation nicht nachgekommen. Danach sei es verfassungswidrig, wenn der Beamte für das dritte Kind nicht einen Familienzuschlag von 115 % des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes erhalte. Sein Antrag vom 17.12.2004 auf amtsangemessene Besoldung umfasse Ansprüche ab ...