Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwaltungsgebührenrecht. Einstellungsuntersuchung nach § 7 Abs. 1 BAT als Amtshandlung?. Gebührenfreiheit bei Amtshilfe. keine Amtshilfe bei „eigenen” Aufgaben der Gesundheitsämter. „eigene” Aufgabe des Gesundheitsamtes bei Erteilung von Gesundheitszeugnissen, die in Rechtsvorschriften vorgesehen sind. persönliche Gebührenfreiheit von Behörden nach dem Bbg GebG. Gegenseitigkeit der Gebührenfreiheit bezogen auf Berlin. Auslagenersatz. Verwaltungsgebühren für eine Einstellungsuntersuchung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einstellungsuntersuchungen nach § 7 Abs. 1 BAT, die die Gesundheitsämter des Landes Brandenburg für Behörden des Landes Berlin zur Zeit der Geltung der GesundheitsVO DDR vom 8. August 1990 (inzwischen abgelöst durch das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Bbg vom 3. Juni 1994) durchgeführt haben, dürften gebührenfreie Amtshilfe gewesen sein, waren jedenfalls nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 BbgGebG gebührenfrei.

2. „Eigene” Aufgaben im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG setzen grundsätzlich voraus, daß für ersuchende Behörden auf die im Aufgabenbereich liegende Hilfeleistung außerhalb von Amtshilfe ein Anspruch besteht.

3. Amtshilfe ist auch für die Durchführung von Maßnahmen möglich, die zwar nicht selbst öffentlich-rechtliche Tätigkeit sind (hier: Einstellung von Angestellten in den öffentlichen Dienst, die aber der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen.

 

Normenkette

GG Art. 35 Abs. 1; VwVfG Bbg § 4 Abs. 2 Nr. 2; VwVfG Bbg § 8 Abs. 1; Bbg GebG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 10; GesundheitsVO DDR § 3; AVwGebO MASGF (Bbg)

 

Verfahrensgang

VG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 22.11.1995; Aktenzeichen 1 K 788/93)

 

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 22. November 1995 wird geändert. Die Kostenrechnung des Beklagten vom 15. Juli 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1993 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Mit Schreiben vom 23. April 1993 wandte sich die Präsidentin des Kammergerichts Berlin an den Beklagten als Gesundheitsbehörde zur Durchführung einer vertrauensärztlichen Einstellungsuntersuchung und Beurteilung der gesundheitlichen Eignung einer Justizangestellten, die von der Präsidentin zum 1. Mai 1993 unter dem Vorbehalt gesundheitlicher Eignung als Schreibkraft eingestellt worden war; die Untersuchung sollte die Eignungsprüfung für den Einsatz am Bildschirm mitumfassen. Als Rechtsgrundlage für die Einstellungsuntersuchung wurde auf § 7 Abs. 1 des Bundesangestelltentarifs (BAT) verwiesen.

Der Beklagte führte die beantragte Untersuchung durch und erteilte der Präsidentin des Kammergerichts dafür unter Bezug auf die Verwaltungsgebührenordnung des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg vom 1. September 1992, GVBl. II S. 558 – AVwGebO MASGF – eine „Rechnung” für die Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung über 39,90 DM mit den Rechnungspositionen „Untersuchung 30,– DM” und „Labor 9,90 DM”. Eine weitergehende Spezifizierung nach Art. und Rechtsgrundlage der Kostenpositionen enthielt die Rechnung nicht. Den gegen die Rechnung eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 15. November 1993 zurück. In dem Bescheid wurde zur genaueren Kostenbeschreibung auf die Tarifstellen 4.14.1 und 4.14.2 des Gebührentarifs zur AVwGebO MASGF hingewiesen, wonach für Zeugnisse über ärztlichen Befund mit kurzer gutachterlicher Äußerung Gebühren von 25,– DM bis 40,– DM erhoben werden könnten; er, der Beklagte, berechne in diesem Rahmen 30,– DM.

Mit der dagegen erhobenen Klage hat sich das klagende Land – wie schon mit dem Widerspruch – auf Verwaltungsgebührenfreiheit berufen. Bei der Untersuchung habe es sich um Amtshilfe gehandelt, die nach § 8 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz gebührenfrei zu leisten sei. Selbst wenn die Untersuchung nach § 4 dieses Gesetzes nicht als Amtshilfe, sondern als eigene Aufgabe des Beklagten zu qualifizieren sei, bestehe Gebührenfreiheit, da die Gesundheitsverwaltung des Landes Berlin nach der einschlägigen Gebührenordnung ebenfalls gebührenfrei tätig werde.

Das klagende Land hat sinngemäß beantragt,

die Rechnung des Beklagten vom 15. Juli 1993 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15. November 1993 aufzuheben,

hilfsweise

festzustellen, daß der Beklagte aus der Rechnung vom 15. Juli 1993 und dem Widerspruchsbescheid vom 15. November 1993 keine Rechte gegen das klagende Land herleiten könne.

Der Beklagte hat sinngemäß beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat ausgerührt, daß neben der Gebühr von 30,– DM der Betrag von 9,90 DM als Auslagenersatz nach § 10 des Gebührengesetzes für das Land Brandenburg gerechtfertigt sei. Gebührenfreie Amtshilfe liegt nicht vor, weil es sich nach den einschlägigen Vorschriften des Landes Brandenburg über den öffentlichen Gesundheitsdienst bei der Erteilung vertrauensärztlicher Gesundheitszeugni...

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