Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 2 Abs. 1 IFG NRW ist das Informationsfreiheitsgesetz auf die Verwaltungstätigkeit öffentlicher Stellen unabhängig davon anzuwenden, ob diese sich bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Handlungsformen bedienen.

2. Auskunftsansprüche nach § 242 BGB und die beweisrechtlichen Regelungen über die Vorlegung von Urkunden nach §§ 421 ff. ZPO in einem anhängigen Zivilrechtsstreit (hier: Amtshaftungsprozess) sind keine besonderen Vorschriften i.S. des § 4 Abs. 2 IFG NRW, die das Informationsrecht nach § 4 Abs. 1 IFG NRW sperren (hier: Einsicht in Bautagebücher einer Gemeinde).

3. Ob die Bekanntgabe amtlicher Informationen den Ablauf eines anderen Verfahrens i.S. von § 6 Satz 1 Buchst. b) IFG NRW erheblich beeinträchtigt mit der Folge, dass der Antrag auf Informationszugang abzulehnen ist, ist unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen im Einzelfall festzustellen.

 

Normenkette

BGB § 242; IFG NRW § 1; IFG NRW § 2; IFG NRW § 4; IFG NRW § 7; VwGO § 123 Abs. 1, § 146 Abs. 4 S. 6; VwVfG §§ 1, 29 Abs. 1; ZPO ff. § 421

 

Verfahrensgang

VG Gelsenkirchen (Beschluss vom 21.03.2002; Aktenzeichen 17 L 494/02)

 

Tenor

Der Antragsteller ist Inhaber einer Apotheke in der A.-Straße in E.. In dieser Straße wurden seit 1995 diverse Straßenbauarbeiten durchgeführt. Dies geschah nach Auffassung des Antragstellers schuldhaft verzögerlich und in einer Weise, die zu erheblichen Umsatzeinbrüchen in seiner Apotheke geführt habe, unter anderem deshalb, weil das Geschäftslokal längere Zeit nur über „wackelige Holzplanken” zu erreichen gewesen sei. Der Antragsteller macht deshalb gegen den Antragsgegner vor dem zuständigen Landgericht klageweise einen Amtshaftungsanspruch in Höhe von 90.000,– EUR geltend. Um seinen Klagevortrag hinsichtlich des Zeitraumes und der Art des Zugangshindernisses, den die Kammer des Landgerichts für unzureichend substantiiert hielt, weiter konkretisieren zu können, beantragte der Antragsteller im Februar 2002 beim Antragsgegner unter Hinweis auf § 4 des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen – IFG NRW –, ihm Einsicht in die in den Jahren 1998 und 1999 geführten Bautagebücher der Baustelle A.-Straße zu gewähren. Der Antragsgegner lehnte dies ab. Mit Beschluss vom 21.3.2002 – 17 L 494/02 – verpflichtete das VG den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Antrag zu entsprechen (NWVBl. 2002, 242 ff.). Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hatte nur teilweise Erfolg.

 

Gründe

1. Hinsichtlich der Baumaßnahmen des Jahres 1998 hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Der allein in Betracht zu ziehende Informationsanspruch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW erfasst nach seinem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur amtliche Informationen, die bei den in § 2 des Gesetzes genannten Stellen vorhanden sind; das entspricht auch dem allgemeinen, in § 1 IFG NRW bestimmten Gesetzeszweck. Der Antragsgegner hat mit der Beschwerde vorgetragen, er habe im Jahre 1998 in der A.-Straße keine Straßenbaumaßnahmen veranlasst und dementsprechend keine Bautagebücher geführt. Die Baumaßnahmen des Jahres 1998 seien vielmehr eigenverantwortlich von der E.-Verkehrs AG und der Stadtwerke E.-AG durchgeführt worden. Dem ist der Antragsteller nur mit unsubstantiiertem Bestreiten und mit Rechtsausführungen zur beherrschenden Stellung des Antragsgegners bei den genannten Unternehmen entgegengetreten. Dass diese Unternehmen die Straßenbauarbeiten im Jahr 1998 rechtlich eigenverantwortlich durchgeführt haben – mit der Folge, dass der Informationsanspruch sich allenfalls gegen sie richten könnte (vgl. § 2 Abs. 4 IFG NRW) – hat der Antragsteller jedoch nicht ernstlich in Frage gestellt. Der Senat hat keinen Anlass, dem in einem Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO weiter nachzugehen.

Der Antragsgegner ist auch nicht verpflichtet, sich bei den genannten Aktiengesellschaften einschlägige Informationen erst zu beschaffen, um sie sodann dem Antragsteller zugänglich zu machen. § 4 Abs. 1 IFG NRW normiert keine Informationsbeschaffungspflicht der öffentlichen Stellen; im Gegenteil schließt sein Wortlaut einen darauf gerichteten Anspruch ausdrücklich aus.

Vgl. auch die amtliche Begründung des insoweit unverändert gebliebenen Regierungsentwurfs zu § 4 IFG NRW, LT-Drs. 13/1311 S. 11; Stollmann, Das Informationsfreiheitsgesetz NRW (IFG NRW), NWVBl. 2002, 216 (217).

2. Im Übrigen hat die Beschwerde keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners, das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Prüfungsumfang im Rechtsmittelverfahren bestimmt und beschränkt, weckt insoweit keine Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses. Hinsichtlich der begehrten Einsichtnahme in die im Jahre 1999 über die besagte Straßenbaumaßnahme geführten Bautagebücher des Antragsgegners hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

a) Der Anordnungs...

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