Entscheidungsstichwort (Thema)
Untersagung eines Gewerbes im Falle „doppelter” Unzuverlässigkeit. Unterbrechung des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gem. §240 ZPO (Zivilprozessordnung) wegen der Eröffnung der Insolvenzverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. § 12 GewO greift grundsätzlich nur dann ein, wenn es um eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit geht, die auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist. Ob § 12 GewO im Falle doppelter Unzuverlässigkeit eingreift, weil der weitere Unzuverlässigkeitsgrund in engem Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Unzulänglichkeiten steht, die das Insolvenzverfahren ausgelöst haben, ist rechtlich umstritten. Jedenfalls fehlt es an einem derartigen Zusammenhang, wenn beim Gewerbetreibenden die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nicht nur aufgrund der ungeordneten Vermögensverhältnisse besteht, sondern auch dadurch begründet ist, dass der Gewerbetreibende bei der Gewerbeausübung einen gemeinschaftlichen Betrug in 22 Fällen begangen hat.
2. Die Tatsachengerichte dürfen sich bei der Prüfung der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit nicht auf die Feststellung von Verurteilungen beschränken, sondern müssen die den Verurteilungen zu Grunde liegenden Tatsachen – regelmäßig auf der Basis der Feststellungen der Strafgerichte – im Rahmen der Zuverlässigkeitsprognose würdigen.
Normenkette
GewO § 12; InsO § 21
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerinnen zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde, mit der sich die Antragstellerinnen gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren wenden, hat keinen Erfolg.
Der Umstand, dass durch Beschlüsse des Amtsgerichts C. vom 14. August 2009 Insolvenzverfahren über die Vermögen der Antragstellerinnen eröffnet worden sind, steht einer Entscheidung über die Beschwerde nicht entgegen. § 240 ZPO bezieht sich nicht auf Prozesskostenhilfeverfahren.
Vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 2006 – IX ZA 26/04 –, NJW-RR 2006, 1208.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht hinreichende Erfolgsaussichten verneint (§§ 166 VwGO, 114 ZPO). Die von den Antragstellerinnen erhobenen Einwendungen ändern daran nichts.
Die Antragstellerinnen meinen, das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sei gemäß § 240 ZPO wegen der Eröffnung der Insolvenzverfahren unterbrochen worden. Diese Auffassung trifft jedoch nicht zu.
Vgl. Senatsbeschluss vom 23. November 2009 – 4 A 3724/06 – m.w.N. ([…]), zur Veröffentlichung bestimmt.
Die angefochtenen Ordnungsverfügungen vom 9. Juni 2009 sind nicht deshalb rechtswidrig, weil das Amtsgericht C. bereits durch Beschlüsse vom 26. März 2009 gemäß § 21 InsO Sicherungsmaßnahmen angeordnet hatte. Die Antragsgegnerin war nicht durch § 12 GewO daran gehindert, diese Ordnungsverfügungen zu erlassen.
§ 12 GewO greift grundsätzlich nur dann ein, wenn es um eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit geht,„die auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist”. Das ist hier nicht der Fall.
Es spricht zwar – ungeachtet des Umstandes, dass die Ordnungsbehörde in der Begründung ihrer Bescheide hierauf nicht abgestellt hat – alles dafür, dass bei den Antragstellerinnen ungeordnete Vermögensverhältnisse vorlagen. Der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft C. vom 17. August 2007 (dort S. 39) lässt sich nämlich entnehmen, dass die Antragstellerinnen bereits seit dem Jahre 2003 zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen in der Lage waren. Dies würde ihre gewerberechtliche Unzuverlässigkeit begründen. Unabhängig davon waren die Antragstellerinnen aber auch deshalb gewerberechtlich unzuverlässig, weil sie – wie noch auszuführen ist – bei der Gewerbeausübung gemeinschaftlichen Betrug in 22 Fällen begangen haben.
Das Verwaltungsgericht hat die Frage offen gelassen, ob § 12 GewO im Falle „doppelter” Unzuverlässigkeit eingreift, wenn der weitere Unzuverlässigkeitsgrund in engem Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Unzulänglichkeiten steht, die das Insolvenzverfahren ausgelöst haben.
Vgl. auch Hahn, GewArch 2000, 361, 362; Heß in: Friauf, GewO, § 12 Rdnrn. 7 und 13 (Stand: März 2009); Marcks in: Landmann/Rohmer, GewO, § 12 Rdnr. 11 (Stand: Mai 2008).
Es hat aber zu Recht vorliegend einen solchen engen Zusammenhang verneint.
Vgl. zu dieser Frage auch OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 11. August 2009 – 7 LA 232/07 –, NVwZ-RR 2009, 922, vom 8. Dezember 2008 – 7 ME 144/08 –, GewArch 2009, 162, und vom 13. Mai 2003 – 7 L 140/02 –, GewArch 2003, 383.
Die Anwendung des § 12 GewO in Fällen der vorliegenden Art würde den Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr vernachlässigen. Der Insolvenzverwalter kann ohnehin nicht alle Einzelheiten der Betriebsführung überwachen, wenn der Gewerbetreibende sein Gewerbe trotz des Insolvenzverfahrens fortführen darf. Er kann insbesondere nicht sicherstellen, dass es seitens des Gewerbetreibenden gegenüber Neukunden nicht zu neuen betrügerischen Handlungen kommt. Seine Aufgabe besteht vor allem in der Wahrung der Gläubigerinteressen. Auch das Insolvenzger...