Entscheidungsstichwort (Thema)
Benutzungszwang bezüglich einer Bio-Tonne; zur Abfalleigenschaft von Speiseresten und Fleischresten
Leitsatz (amtlich)
1.) Kompostierbare Stoffe, die der Besitzer vollständig und ordnungsgemäß kompostiert, sind kein Abfall im Sinne des § 1 Abs. 1 AbfG. Es sind keine Anzeichen dafür ersichtlich, daß mit der ordnungsgemäßen Kompostierung von Speiseresten eine Gefährdung des Allgemeinwohls verbunden sein könnte.
2.) Bei vollständiger und ordnungsgemäßer Kompostierung besteht kein Benutzungszwang hinsichtlich der gemeindlichen Abfallentsorgnung, damit sind zugleich die Voraussetzungen für eine Befreiung vom Anschlußzwang erfüllt.
Orientierungssatz
1. Zur mangelnden Abfalleigenschaft kompostierbarer Stoffe, die der Besitzer auf seinem Grundstück vollständig und ordnungsgemäß kompostiert.
2. Speisereste und Fleischreste sind nicht ohne weiteres und stets Abfall im Sinne des objektiven Abfallbegriffs (§ 1 Abs 1 S 1, 2 Alt. AbfG); sie sind dies nur potentiell, nämlich nur dann, wenn ihre geordnete (öffentliche) Entsorgung zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere zum Schutz der Umwelt, im Einzelfall geboten ist. Kann ein lediglich potentiell gefährlicher Stoff jedoch "unschädlich" verwertet werden, so fehlt ihm die Abfalleigenschaft. 3. Vergleiche Urteil des Senats vom 14. Juni 1995 - 22 A 2424/94 -.
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 3; AbfG § 1 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
VG Arnsberg (Aktenzeichen 7 K 6781/93) |
Tenor
Der Kläger, der seit 25 Jahren sämtliche auf seinen Wohngrundstück anfallenden kompostierbaren Stoffe selbst kompostiert, begehrt die Feststellung, daß er hinsichtlich der sog. Bio-Tonne nicht dem Benutzungszwang unterliege. Das VG gab der Klage statt. Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg.
Gründe
Aus den Gründen:
Der Kläger unterliegt hinsichtlich der auf seinem Grundstück anfallenden kompostierbaren Stoffe von vornherein nicht dem ortsrechtlichen Zwang zur Benutzung der „Bio-Tonne”, weil diese Stoffe kein Abfall sind, die sog. Bio-Tonne nach § 3 Abs. 1, Buchstabe a) der Abfallbeseitigungssatzung (AbfG) aber nur für die Aufnahme von (kompostierfähigen) Abfällen zur Verfügung steht.
Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 14.6.1995 – 22 A 2424/94 – (UPR 1995, 456 – ZMR 1995, 611 – ZKP 1995, 255 = DVBl. 1996, 62 Ls = NWVBl. 1996, 14 = RdL 1995, 269 = StuGemR 1995, 436 = Mitt NWStGB 1995, 212) zur mangelnden Abfalleigenschaft kompostierbarer Stoffe, die der Besitzer auf seinem Grundstück vollständig und ordnungsgemäß kompostiert, folgendes ausgeführt:
„‚Abfälle’ … sind nach der … (von der Entsorgnungssatzung vorausgesetzten) Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AbfG (nur) solche beweglichen Sachen,
- deren sich der Besitzer entledigen will oder
- deren geordnete Entsorgung zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit geboten ist.
…
Die auf dem Wohngrundstück der Kläger anfallenden kompostierbaren Stoffe sind keine Abfälle im vorgenannten Sinne, denn diese Stoffe werden von den Klägern sämtlich kompostiert und zwar auch ordnungsgemäß, so daß insoweit weder ein Entledigungswille noch die Erforderlichkeit einer „Abfall” – Entsorgung.
vgl. dazu auch das Urteil des Senats vom 16.12.1994 – 22 A 3834/93 –
gegeben sind. Hinsichtlich der Vollständigkeit und Ordnungsgemäßheit ihrer Kompostierung haben die Kläger substantiiert und schlüssig im einzelnen dargelegt, daß sie nicht nur willens sondern auch fachlich und technisch in der Lage sind, die kompostierbaren Stoffe … sämtlich so zu behandeln, daß eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, wie etwa durch Gerüche oder Ungeziefer, nicht zu besorgen ist. Da auch der Beklagte weder die Glaubhaftigkeit der in der Sache überzeugenden Darlegungen noch die Glaubwürdigkeit oder Zuverlässigkeit der Kläger in Zweifel zieht, ist … davon auszugehen, daß auf dem Grundstück der Kläger kompostierbare Stoffe nicht als Abfall anfallen. Dieses Ergebnis wird zudem durch die vom Beklagten mehrfach durchgeführten – in ihrer Rechtmäßigkeit durchaus zweifelhaften aber zugunsten der Kläger verwertbaren – Kontrollen der Restmülltonne der Kläger bestätigt.
Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß auch der durch das Kompostieren von den Klägern erzeugte Kompost ebensowenig Abfall ist, wie die ihm zugrundeliegenden kompostierbaren Stoffe. Folglich kann auch der entstandene oder künftig entstehenden Kompost den Benutzungszwang nicht begründen, wobei es im übrigen (im Hinblick auf den objektiven Abfallbegriff) nicht einmal darauf ankäme, ob die Kläger den Kompost auf dem eigenen Grundstück oder anderweitig verwerten wollten.”
Der vorliegende Fall bietet keinen Anlaß zu einer davon abweichenden Beurteilung der Sach- oder Rechtslage:
Der Kläger kompostiert vollständig und ordnungsgemäß sämtliche auf seinem Grundstück anfallenden kompostierfähigen Stoffe, was die Beklagte auch nicht in Zweifel zieht. Damit unterliegen weder die im Garten noch die im Haushalt des Klägers anfallenden kompostierbaren Stoffe der Abfallbeseitigung. Dies gilt auch für die vom Kläger komp...