Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht auf mündliche Verhandlung Widerruf Änderung der Prozesslage Wechsel in der Besetzung der Richterbank rechtliches Gehör Rechtsschutzbedürfnis Zustimmung des zivilrechtlich Berechtigten schlechthin nicht ausräumbares Hindernis Nutzungsänderung Wohnung in Prostitutionsstätte
Leitsatz (amtlich)
1. Weder ein Wechsel in der Besetzung der Richterbank noch eine wesentliche Änderung der Prozesslage führen zur Unwirksamkeit eines erklärten Verzichts auf mündliche Verhandlung oder machen diese Erklärung widerruflich. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang dafür einzustehen, dass trotz der unterbliebenen mündlichen Verhandlung das rechtliche Gehör der Beteiligten nicht verletzt wird.
2. Hat der Wohnungseigentümer dem Mieter gegenüber die Zustimmung zur begehrten Nutzungsänderung einer Wohnung in eine Prostitutionsstätte verweigert, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung, solange nichts auf eine Bereitschaft des Wohnungseigentümers hindeutet, den von ihm nach außen hin dokumentierten Standpunkt aufzugeben.
Normenkette
VwGO § 101 Abs. 2, § 125; GG Art. 103 Abs. 1; BauO NRW § 74 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Düsseldorf (Aktenzeichen 4 K 1275/19) |
Tenor
Soweit die Klägerin die Berufung zurückgenommen hat, wird das Berufungsverfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Mieterin der 1,5 Zimmer-Wohnung X.-straße 000 (Gemarkung U., Flur 0, Flurstück 001), 4. Obergeschoss straßenseitig hinten links, bezeichnet als „W2” im Grundriss des Hauses (Bl. 16 des Verwaltungsvorgangs) mit einer Größe von ca. 40 qm. Eigentümerin der Wohnung ist Frau Q. O..
Die Klägerin beantragte am 19. Dezember 2018 bei der Beklagten, den Nutzungszweck der Wohnung von Wohnen in eine gewerbliche Nutzung in Gestalt einer Prostitutionsstätte zu ändern.
Mit Bescheid vom 9. Januar 2019 lehnte die Beklagte die Erteilung der beantragten Baugenehmigung ab.
Die Klägerin hat am 14. Februar 2019 Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, der Betrieb sei nicht störend. Die gewerbliche Nutzung sei in keiner Weise äußerlich kenntlich gemacht.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Versagungsbescheides vom 9. Januar 2019 zu verpflichten, ihr antragsgemäß die Nutzungsänderung der Wohnung im Gebäude X.-straße 000 in C. (Gemarkung U., Flur 0, Flurstück 001) zu genehmigen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Die hier maßgeblichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB seien nicht erfüllt. Das Vorhaben füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Verwaltungsgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. November 2020 abgewiesen.
Zur Begründung ihrer mit Beschluss des Senats vom 9. Februar 2022 zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Sie hat ursprünglich schriftsätzlich beantragt,
- den Bescheid des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 11. November 2020 aufzuheben und die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 15. Februar 2021, zugestellt am 18. Februar 2021 zum Aktenzeichen 32/32/1, aufzuheben,
- den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2019, zugegangen am 15. Januar 2019, aufzuheben und ihr antragsgemäß die Nutzungsänderung für das Objekt L.-straße 000, C. von Wohnen in Gewerbe zu genehmigen.
Im Rahmen des von der seinerzeitigen Berichterstatterin des Senats durchgeführten Ortstermins vom 6. Juli 2023 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den vorgenannten Antrag zu 1. zurückgenommen. Die Klägerin beantragt nunmehr schriftsätzlich sinngemäß noch, den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 11. November 2020 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Januar 2019 antragsgemäß die Nutzungsänderung der Wohnung im Gebäude L.-straße 000 in C. (Gemarkung U., Flur 0, Flurstück 001) von Wohnen in Gewerbe zu genehmigen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzlichen Vorbringen.
Im Rahmen des Ortstermins vom 6. Juli 2023 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Zum 1. Oktober 2023 ist das Verfahren in Folge einer Änderung der Geschäftsverteilung des Senats in das Dezernat des nunmehrigen Berichterstatters übergegangen.
Mit E-Mail-Nachricht vom 16. Oktober 2023 teilte die Eigentümerin der in Rede stehenden Wohnun...