Entscheidungsstichwort (Thema)
Beamtenrecht. dienstliche Anordnung. dienstliche Weisung. Verwaltungsakt. Handeln durch Verwaltungsakt. sofortige Vollziehung. Sofortvollzug. Anordnung der sofortigen Vollziehung. Vollziehungsanordnung. Begründung. Dienstkleidung. Uniform. Uniformzwang. Erscheinungsbild. äußeres Erscheinungsbild. Haartracht. Haarlänge. Lagerfeld-Zopf. Pferdeschwanz. Grundrechte. freie Entfaltung der Persönlichkeit. Persönlichkeitsrecht. Gleichheitssatz. Gleichbehandlung. Beamtenrechts (dienstliche Anordnung betreffend die Haartracht). aufschiebende Wirkung
Leitsatz (amtlich)
1. Das für uniformierte Polizeibeamte generell angeordnete Verbot einer „deutlich über den Hemdkragen reichenden Haarlänge” ist rechtmäßig.
2. Der Anspruch des Beamten auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit ist von vornherein begrenzt durch die Sachnotwendigkeiten des ihm anvertrauten Amtes.
3. Die Einschätzung des Dienstherrn, überlange Haare bei uniformierten Polizeibeamten stießen in weiten Kreisen der Bevölkerung auf geringe Akzeptanz oder gar Ablehnung und erschwerten deshalb die effektive Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
GG Art. 2, 2 Abs. 1, Art. 3, 3 Abs. 1, 3; VwGO §§ 80, 80 Abs. 3, 3 S. 1, Abs. 5; LBG §§ 64, 64 Abs. 1, 1 S. 3, §§ 65, 65 S. 2, §§ 84, 214, 214 S. 2
Verfahrensgang
VG Neustadt a.d. Weinstraße (Beschluss vom 01.08.2003; Aktenzeichen 2 L 1819/03) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 1. August 2003 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der 26-jährige Antragsteller steht als Polizeiobermeister im Dienst des Landes Rheinland-Pfalz und ist als uniformierter Polizeivollzugsbeamter bei der Polizeiinspektion S. im Schichtdienst eingesetzt. Er trägt seine Haare stirnfrei in Form eines am Hinterkopf tief angesetzten Pferdeschwanzes, wobei die Haarenden auch im zusammengebundenen Zustand weit über den Hemdkragen bis etwa zur Mitte der Schulterblätter reichen.
Mit dienstlicher Anordnung vom 12. Juni 2003 wurde der Antragsteller aufgefordert, seine Haartracht den Vorgaben im Rundschreiben des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 26. Mai 2003 anzupassen. Darin heißt es, eine deutlich über den Hemdkragen reichende Haarlänge sei bei uniformierten Polizeibeamten mit den im Rundschreiben niedergelegten Grundsätzen über das äußere Erscheinungsbild der Beamten nicht vereinbar. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2003 zurück und ordnete die sofortige Vollziehung der dienstlichen Anordnung vom 12. Juni 2003 an. Zur Begründung des daraufhin beantragten Eilrechtsschutzes macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, dass der Sofortvollzug seines Erachtens nicht gerechtfertigt sei. Ihm werde ein schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auferlegt. Die in dem Rundschreiben des Ministeriums vorgeschriebene Haartracht entspreche nicht seinem Lebens- und Identitätsgefühl. Ob diese Anforderungen rechtmäßig seien, sei erst im Verfahren der Hauptsache zu überprüfen.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der dienstlichen Anordnung abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.
1. Zunächst teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die dienstliche Anordnung vom 12. Juni 2003 um den hier statthaften Rechtsbehelf handelt. Denn das Rechtsschutzgesuch betrifft eine Maßnahme, die sich im Ergebnis als Verwaltungsakt erweist und damit in ihrer Durchsetzung nur nach Maßgabe von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gehemmt werden kann (§ 123 Abs. 5 VwGO). Zwar war die dienstliche Anordnung vom 12. Juni 2003 ihrer Rechtsnatur nach zunächst nicht als Verwaltungsakt, sondern als behördeninterne Maßnahme zu werten. Denn diese Anordnung ist – ausgehend von ihrem objektiven Sinngehalt – nicht auf die unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, sondern soll den Beamten in seiner Eigenschaft als Amtsträger und Glied der Verwaltung ansprechen, indem sie dessen dienstliches Erscheinungsbild als uniformierter Polizeibeamter regelt. Ob eine innerdienstliche Maßnahme im Einzelfall Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Beamten hat, ist für ihre Rechtsnatur grundsätzlich ohne Belang (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 1995, DVBl. 1995, 1245; BayVGH, Beschluss vom 15. November 2002, BayVBl. 2003, 212 [213]). Allerdings ist die dienstliche Anordnung vom 12. Juni 2003 durch den Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2003 zum Verwaltungsakt geworden. Die Widerspruchsb...