Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Erkenntnisverfahrens. Auf das Strafvollstreckungsverfahren erstreckt sich Beiordnung nicht.
2. Gesetzlich ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Strafvollstreckungsverfahren in den §§ 463 Abs. 3 S. 5, 463 Abs. 4 S. 8, 463 Abs. 8 und 109 Abs. 3 StVollzG vorgesehen.
3. Im Übrigen ist die Praxis im Strafvollstreckungsverfahren weiterhin auf eine entsprechende Anwendung von § 140 Abs. 2 angewiesen.
4. Auf einige Kriterien/Umstände muss der Verteidiger bei einer Antragstellung besonders achten und sie mit einem Fragenkatalog prüfen. Häufig wird er keine andere Möglichkeit haben, als nach geeigneten "Vorentscheidungen" zu suchen.
5. Für das Verfahren, die Auswahl des Pflichtverteidigers und die Rechtsmittel gelten die allgemeinen Regeln.
 

Rdn 3373

 

Literaturhinweise:

Ahmed, Praxisprobleme beim Pflichtverteidiger nach Rechtskraft des Urteils, StV 2015, 252

Hartmann/Hilter, Notwendige Verteidigung im jugendgerichtlichen Vollstreckungsverfahren § 83 Abs. 3 S 2 JGG – eine vergessene Vorschrift, StV 1988, 312

Möller, Die Pflichtverteidigerbeiordnung im jugendrichterlichen Vollstreckungsverfahren, ZJJ 2010, 20

Rotthaus, Die Pflichtverteidigung im Verfahren der Strafrestaussetzung, NStZ 2000, 350

s.a. die Hinw. bei → Pflichtverteidiger, Allgemeines, Teil P Rdn 3305.

 

Rdn 3374

1. Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet gem. § 143 Abs. 1 mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Erkenntnisverfahrens einschließlich eines Verfahrens nach § 423 (Einziehung nach Abtrennung) oder § 460 (nachträgliche Gesamtstrafenbildung; → Pflichtverteidiger, Umfang der Beiordnung, Teil P Rdn 3623 ff.). Auf das Strafvollstreckungsverfahren erstreckt sich die Beiordnung folglich nicht (zum Begriff der Strafvollstreckung Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 449 Rn 1; Burhoff/Volpert/­Volpert, RVG, Vorbem. 4.2 VV Rn 3). Aber auch dort kommt eine Pflichtverteidigerbestellung von ­Gesetzes wegen in Betracht (dazu Teil P Rdn 3375). Fehlt es an einer speziellen Regelung, wendet die h.M. darüber hinaus § 140 Abs. 2 entsprechend an (BVerfG NJW 2002, 2773; vgl. u.a. KG StV 2007, 94; OLG Hamm StV 2002, 320; StraFo 2002, 29; s. dazu Graalmann-Scherer StV 2011, 696, 699; Ahmed StV 2015, 252; vgl. aber LR-Jahn, § 140 Rn 118 m.w.N.; wegen der Einzelh. Teil P Rdn 3380 ff.; zu Vollzugssachen s. Teil P Rdn 3379). Hieran hat das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl I, S. 2128), das zum Vollstreckungsverfahren keine gesonderten Bestimmungen enthält, nichts geändert.

 

☆ Für den Verteidiger ist im Vollstreckungsverfahren die Beiordnung gerade dann von Bedeutung, wenn die in Strafhaft einsitzenden Mandanten finanziell nicht in der Lage sind, die sich nach Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG richtenden Gebühren zu bezahlen. Dann bleiben dem Rechtsanwalt zumindest noch die gesetzlichen Gebühren.finanziell nicht in der Lage sind, die sich nach Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG richtenden Gebühren zu bezahlen. Dann bleiben dem Rechtsanwalt zumindest noch die gesetzlichen Gebühren.

 

Rdn 3375

2. Gesetzlich ist die Bestellung eines (Pflicht-)Verteidigers im Strafvollstreckungsverfahren in §§ 463 Abs. 3 S. 5, 463 Abs. 4 S. 8, 463 Abs. 8 und 109 Abs. 3 StVollzG vorgesehen.

 

Rdn 3376

a) Nach § 463 Abs. 3 S. 5 ist dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, rechtzeitig vor einer Entscheidung nach § 67c Abs. 1 StGB ein Pflichtverteidiger zu bestellen.

 

Rdn 3377

b) Ist im Rahmen der Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) gem. § 463 Abs. 4 S. 2 das Gutachten eines SV einzuholen, ist ebenfalls ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Dies hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass der Verteidiger noch Einfluss auf die Auswahl des Sachverständigen nehmen kann (KK-Appl, § 463 Rn 4b).

 

Rdn 3378

c) Zudem gilt, wenn Sicherungsverwahrung vollstreckt wird (§ 463 Abs. 8). Hiernach wird dem Sicherungsverwahrten für die zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen ein Pflichtverteidiger bestellt, und zwar "rechtzeitig" (dazu OLG Nürnberg NStZ 2017, 118, zugleich auch zur Entpflichtung). Erforderlich ist hier nur ein einziger Bestellungsbeschluss vor der ersten gerichtlichen Entscheidung; dieser wirkt für jedes weitere Verfahren bis zur Aufhebung der Bestellung fort (§ 463 Abs. 8 S. 2). Dies gilt auch für den vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots zum 1.6.2013 in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 bestellten Verteidiger (OLG Dresden NStZ-RR 2014, 357; zu allem Burhoff/Kotz/Glauch, Nachsorge, Teil A Rn 573 ff.). Für einen neuen Vollstreckungsabschnitt kann aber ein anderer Verteidiger beigeordnet werden, auch wenn ein wichtiger Grund für eine Entpflichtung nicht vorliegt (KG, Beschl. v. 27.8.2019 – 2 Ws 135/19). Dagegen kann in einem bereits begonnenen und noch laufenden Prüfungsverfahren ein Verteidigerwechsel nur unter den Voraussetzungen des...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?