Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Verteidigerbestellung wegen richterlicher Vernehmung ist seit der Reform des Rechts der notwendigen Verteidigung in § 140 Abs. 1 Nr. 10 geregelt. Sie stellt für die Verteidigung eine wichtige Einflussnahmemöglichkeit auf den weiteren Gang des Verfahrens dar.
2. Inhaltlich sind die Beiordnungsvoraussetzungen unverändert geblieben.
 

Rdn 3461

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Kostenrechtliche Auswirkungen der Änderungen in der StPO 2017, RVGreport 2017, 402

ders., Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen richterlicher Vernehmung – ein erster Schritt, StRR 5/2018, 4

Castorf, Die Anforderungen an die Beschränkung des Zugangs zu einem Verteidiger im Ermittlungsverfahren nach der EMRK Zugl. Anmerkung zum Urteil des EGMR vom 13.9.2016 – 50541/08 u.a., Ibrahim u.a./. Vereinigtes Königreich = HRRS 2017 Nr. 272, HRRS 2017, 169

Gaede, Fairness als Teilhabe – Das Recht auf konkrete und wirksame Teilhabe durch die Verteidigung gem. Art. 6 EMRK, 2007

ders., Der neue Minimalismus bei der Achtung des Konfrontationsrecht von tatsächlichen Einschränkungen und vermeintlichen Hintertüren, StV 2018, 175

Galneder/Ruppert, Abwarten und … vernehmen? Die zeitlichen Grenzen der Pflichtverteidigerbestellung nach neuem Recht (§§ 141, 141a StPO) im Lichte des Art. 6 EMRK, StV 2021, 202

­Hillenbrand, Das neue Recht der Pflichtverteidigung – Teil I, StRR 2/2020, 4

ders., Das neue Recht der Pflichtverteidigung, ZAP 2020, 99

Inoue, Die Pflichtverteidigung im Ermittlungsverfahren, 2004

Mehle, Zeitpunkt und Umfang der Pflichtverteidigerbestellung, NJW 2007, 969

Schlegel/Wohlers, Der "Anwalt der ersten Stunde" in der Schweiz Zugleich ein Beitrag zu den menschenrechtlichen Mindeststandards der Strafverteidigung, StV 2012, 307

Schlothauer, Neuregelung der Pflichtverteidigung: effektiver und praxistauglicher!?, StV 2017, 557

Sowada, Zur Notwendigkeit der Verteidigerbeiordnung im Ermittlungsverfahren, NStZ 2005, 1

Widmaier, Zu den Folgen der Verletzung von Art. 6 III lit. d EMRK durch unterbliebene Verteidigerbestellung: Beweiswürdigungslösung oder Verwertungsverbot?, NJW-Sonderheft für Gerhard Schäfer, 2002, S. 76

s.a. die Hinw. bei → Pflichtverteidiger, Allgemeines, Teil P Rdn 3305.

 

Rdn 3462

1. Die Mitwirkung an – für den späteren Ausgang des Hauptverfahrens nicht selten vorentscheidenden – richterlichen Vernehmungen im EV stellt eine wichtige Einflussnahmemöglichkeit für die Verteidigung dar. Hier können entlastende Umstände herausgearbeitet und zusätzliche Belastungen des Mandanten, insbesondere durch (weitere) strafprozessuale Maßnahmen, frühzeitig vermieden werden.

 

Rdn 3463

Geregelt ist die Verteidigerbestellung wegen einer richterlichen Vernehmung seit der Reform des Beiordnungsrechts durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl I, S. 2128) in § 140 Abs. 1 Nr. 10. Die zuvor in § 141 Abs. 3 S. 4 a.F. (hierzu ­Schlothauer StV 2017, 557 ff. und Burhoff, StPO 2017, Rn 106 ff.) enthaltene Regelung, die die Bestellung eines Pflichtverteidigers vorsah, wenn eine richterliche Vernehmung durchzuführen war und die StA dies beantragte oder die Mitwirkung eines Verteidigers aufgrund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erschien, wurde im Zuge der Reform in den Katalog des § 140 Abs. 1 überführt mit der Maßgabe, dass ein Antrag der StA seither nicht mehr vorgesehen ist. Der Beschuldigte kann die Beiordnung nunmehr selbst beantragen. Die Überführung der Regelung, welche sich bis dahin nach Ansicht des Gesetzgebers an "versteckter Stelle" befand, sollte zu einer klareren Gesetzessystematik führen (BT-Drucks 19/13829, S. 32).

 

Rdn 3464

2. Inhaltlich sind die Beiordnungsvoraussetzungen unverändert geblieben. Es ist weiterhin ein Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn dessen Mitwirkung bei einer richterlichen Vernehmung aufgrund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint. Die Voraussetzungen hierfür sowie die weiteren Einzelheiten werden, der neuen Gesetzessystematik folgend, unter → Pflichtverteidiger, Beiordnung nach § 140 Abs. 1, Teil P Rdn 3392 dargestellt. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen.

Siehe auch: → Pflichtverteidiger, Auswahl des Verteidigers, Teil P Rdn 3313, mit Antragsmustern, Teil P Rdn 3345 f.; → Pflichtverteidiger, Beiordnung wegen Vorführung/Inhaftierung des Beschuldigten, Teil P Rdn 3442; → Pflichtverteidiger, Honoraranspruch/Vergütungsfragen, Teil P Rdn 3546, mit Antragsmuster; → Pflichtverteidiger, Verfahren der Beiordnung, Teil P Rdn 3637; → Pflichtverteidiger, Zeitpunkt der Beiordnung, Teil P Rdn 3669.

[Autor] Burhoff/Hillenbrand

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