Leitsatz
Verlangt der Vermieter von einem ausländischen Mieter (hier: türkischer Staatsbürger alevitischen Glaubens) einer mit einem Breitbandkabelanschluss ausgestatteten Wohnung die Entfernung einer auf dem Balkon der Wohnung aufgestellten Parabolantenne, ist auch dann eine fallbezogene Abwägung des Eigentumsrechts des Vermieters (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) mit den grundrechtlich geschützten Interessen des Mieters erforderlich, wenn dieser sich nicht nur auf sein Informationsrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 GG, sondern auch auf das Grundrecht der Glaubens- und Religionsfreiheit (Art. 4 GG) beruft, weil die im Breitbandkabelnetz angebotenen türkischsprachigen Programme nicht über Inhalte des alevitischen Glaubens berichten. (amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 535
Kommentar
Die Wohnung des Mieters befand sich in einem Gebäude, das an das Breitbandkabelnetz angeschlossen war. Über die Empfangsanlage konnten unter anderem sechs staatliche türkische Fernsehprogramme empfangen werden. Gleichwohl hat der Mieter – ein türkischer Staatsangehöriger alevitischen Glaubens – auf dem Balkon seiner im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnung eine Parabolantenne aufgestellt. Nach den Feststellungen der Instanzgerichte hat der Antennenspiegel einen relativ großen Durchmesser. Die Antenne überragt das Balkongeländer und ist von der Straße aus gut sichtbar. Der Vermieter hat den Mieter auf Entfernung der Antenne in Anspruch genommen. Der Mieter hat sich unter anderem auf das Grundrecht der Glaubens- und Religionsfreiheit (Art. 4 GG) berufen und hierzu ausgeführt, dass die in das Breitbandkabelnetz eingespeisten Programme nicht über Inhalte des alevitischen Glaubens berichten. Hierfür sei er auf die türkischsprachigen Sender "Cem" und "Halay" angewiesen; diese könne er aber nur über die Parabolantenne empfangen. Das Landgericht hat der Klage des Vermieters stattgegeben.
Die Revision des Mieters hatte keinen Erfolg: Nach § 541 BGB kann der Vermieter auf Unterlassung klagen, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz Abmahnung fortsetzt. Ob die Installation einer Parabolantenne von dem vertragsgemäßen Mietgebrauch gedeckt ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Interessen des Vermieters sind dabei gegen die Interessen des Mieters abzuwägen. Zugunsten des Vermieters ist dessen Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) zu beachten. Dieses wird beeinträchtigt, wenn der Mieter auf dem Balkon seiner Wohnung ohne Erlaubnis des Vermieters eine Parabolantenne aufstellt und dies zur Folge hat, dass das Erscheinungsbild des Gebäudes dauerhaft verändert wird. Zugunsten des Mieters ist nach ständiger Rechtsprechung dessen Informationsgrundrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 GG zu berücksichtigen.
In seiner Entscheidung stellt der BGH klar, dass in die Abwägung auch das Grundrecht der Glaubens- und Religionsfreiheit (Art. 4 GG) einzubeziehen ist. Dieses Grundrecht schützt die innere und die äußere Religionsfreiheit, also die Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben, die Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, sowie nach den Regeln des Glaubens zu leben. Der BGH lässt offen, ob sich aus Art. 4 GG auch ein Recht auf Information über Glaubensinhalte ableiten lässt. Nach Ansicht des BGH hat ein Mieter jedenfalls dann keinen Anspruch auf den Empfang eines bestimmten Senders, wenn dieser nicht ausschließlich über religiöse Inhalte berichtet und der Mieter die fraglichen Informationen auch auf andere Weise, etwa über Druckwerke oder das Internet, erhalten kann.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 10.10.2007, VIII ZR 260/06