Der Pflichtteilsergänzungsanspruch soll verhindern, dass der Erblasser die Pflichtteilsansprüche durch lebzeitige Zuwendungen umgeht. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB besteht als selbständiger Anspruch unabhängig davon, ob der Pflichtteilsberechtigte einen ordentlichen Pflichtteilsanspruch hat. Für die Pflichtteilsergänzungsberechtigung ist also nicht zwingend erforderlich, dass der Pflichtteilsberechtigte konkret pflichtteilsberechtigt, d. h. enterbt ist. Ausreichend ist, wenn er zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehört. Der Pflichtteilsberechtigte hat damit bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch dann einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung, wenn er nicht von der Erbfolge ausgeschlossen ist[25].

Die früher vom BGH vertretene Auffassung von der sog. Theorie der Doppelberechtigung wurde mit der Entscheidung vom 23.05.2012 zumindest in Bezug auf Abkömmlinge aufgegeben[26]. Danach ist nicht mehr erforderlich, dass der Gläubiger zum Zeitpunkt der Schenkung bereits pflichtteilsberechtigt war. Daraus folgt, dass auch ein nach der Schenkung geborenes oder adoptiertes Kind einen Pflichtteilsergänzungsanspruch hat. In Bezug auf einen hinzugekommenen Ehegatten hat sich der BGH allerdings noch nicht ausdrücklich geäußert. Nach der überwiegend in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung wird teilweise vertreten, dass jedoch auch ein neu hinzugekommener Ehegatte ergänzungsberechtigt sein soll[27].

Hinsichtlich Auskunft und Wertermittlung gelten dieselben Grundsätze wie beim ordentlichen Pflichtteilsanspruch.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch kann vom Pflichtteilsberechtigten gegen den bzw. die Erben geltend gemacht werden, wenn der Erblasser einem Dritten innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall (§ 2325 Abs. 3 BGB) eine Schenkung gemacht hat. Allerdings ist zu beachten, dass diese Zehnjahresfrist bei Schenkungen unter Ehegatten gem. § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB nicht vor der Auflösung der Ehe zu laufen beginnt. Dies bedeutet, dass Schenkungen unter Ehegatten bei Fortbestand der Ehe bis zum Erbfall stets ergänzungspflichtig sind.

Gemäß § 2329 BGB steht dem Pflichtteilsberechtigten unter bestimmten Voraussetzungen ein unmittelbarer Anspruch gegen den Beschenkten auf Herausgabe des Geschenks zu. Der Beschenkte haftet jedoch nur, soweit der Erbe nicht zur Ergänzung des Pflichtteils verpflichtet ist, d. h. im Verhältnis zum Erben subsidiar

[28]

. § 2325 Abs. 3 BGB gilt auch zugunsten des Beschenkten.

[29]

[25] MüKo BGB/Lange, § 2325 Rn. 7 .
[26] BGH FamRZ 2012, 1383; MüKo BGB/Lange, § 2325 Rn. 8.
[27] BeckOK BGB Bamberger/Roth/Hau/Posek/Müller-Engels, § 2325 Rn. 4.
[28] MüKo BGB/Lange, § 2329 Rn. 6.
[29] Palandt/Weidlich, § 2329 Rn. 1.

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