Nadine Rumland-Gelzhäuser
Der Pflichtteilsergänzung unterliegt der Wert der unentgeltlichen Zuwendung. Bei gemischten Schenkungen, d. h. wenn der Wert der Leistung dem Wert der Gegenleistung nur zum Teil entspricht, kommt es ausschließlich auf den unentgeltlichen Teil der Zuwendung an. Damit einhergehende Beweisprobleme werden in der Praxis dadurch gelöst, dass nach der Rechtsprechung des BGH bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass die Parteien sich über eine teilweise Unentgeltlichkeit geeinigt haben.
Problematisch ist häufig die Bewertung der Gegenleistung, wenn sich der Schenker beispielsweise einen Nießbrauch oder ein Wohnrecht vorbehalten hat, wobei unerheblich ist, ob das Nutzungsrecht als Gegenleistung oder als Auflage formuliert wurde. In der Regel mindert eine Gegenleistung den Wert des fiktiven Nachlasses und damit auch den Ergänzungsanspruch. Bei einem Nießbrauchvorbehalt zugunsten des Schenkers errechnet sich der Wert des Nießbrauchs an einem Grundstück grundsätzlich aus dem jährlichen Reinwert der Nutzungen multipliziert mit dem Kapitalwert, der sich anhand der durchschnittlichen Lebenserwartung des Nutzungsberechtigten ermitteln lässt. Die aktuellen Kapitalwerte einer lebenslänglichen Nutzung werden regelmäßig vom Bundesministerium für Finanzen veröffentlicht (zuletzt: BMF, Schreiben v. 2.12.2019, IV C 7 – S 3104/09/10001 : 003).
Bewertung bei Nießbrauch
Die 68-jährige Mutter überträgt auf ihren Sohn ihr Einfamilienhaus und behält sich den lebenslangen Nießbrauch vor. Der jährliche Mietertrag beläuft sich auf 15.600 EUR.
Aus dem maßgeblichen BMF-Schreiben ergibt sich ein Kapitalwert von 11,773. Diesen multipliziert man mit der Jahresmiete und erhält einen Nießbrauchswert von 183.658,80 EUR .
Allerdings ist in solchen Fällen problematisch, ob aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs die Zehnjahresfrist zu laufen beginnt. So wird vielfach die Auffassung vertreten, dass aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs kein Schenkungsvollzug vorliegt, weshalb der Beginn Zehnjahresfrist verneint wird.
Bei verbrauchbaren Sachen nach § 92 BGB ist gem. § 2325 Abs. 2 S. 1 BGB für die Bewertung der Schenkung grundsätzlich der Zeitpunkt der Zuwendung maßgeblich.
Bei nicht verbrauchbaren Sachen, wie beispielsweise Immobilien, gilt dagegen das sog. Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB. Hier muss der Wert zweier Stichtage – zum Zeitpunkt der Schenkung und zum Zeitpunkt des Erbfalls – festgestellt werden. Der niedrigere Wert ist dann der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zugrunde zu legen. Zunächst muss der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung ermittelt werden. Dieser muss sodann mit Hilfe des Lebenshaltungskostenindex auf den Zeitpunkt des Erbfalls indexiert werden.
Ein wenig fragwürdig erscheint die von BGH bestätigte Vorgehensweise in Bezug auf Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt. Ist der Wert beim Erbfall der geringere, bleibt das Nutzungsrecht unberücksichtigt. Stellt sich dagegen der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung als der niedrigere und damit maßgebliche Wert heraus, ist von diesem Wert noch der Wert des Nutzungsrechts als zu diesem Zeitpunkt bestehende Belastung abzuziehen.
Nicht unproblematisch ist, welcher Wert bei Lebensversicherungen zur Ergänzung herzuziehen ist. Wohingegen früher die vom Erblasser eingezahlten Versicherungsprämien ergänzungspflichtig waren, unterliegt nach der Entscheidung des BGH vom 28.04.2010 jedenfalls bei Lebensversicherungen mit widerruflichem Bezugsrecht nunmehr der Wert der Pflichtteilsergänzung, den der Erblasser in der letzten juristischen Sekunde seines Lebens hätte realisieren können. Regelmäßig ist das der Rückkaufswert. Bei Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts soll hingegen der Zuwendungsgegenstand nach § 2325 Abs. 1 BGB der Wert der Lebensversicherung im Zeitpunkt der Bezugsrechtseinräumung sein. Allerdings hat sich der BGH zu der Frage, worin der Zuwendungsgegenstand im Falle einer unwiderruflichen Bezugsrechtseinräumung liegen soll, noch nicht geäußert. Zu beachten ist jedoch, dass zusätzlich die vom Erblasser nach Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts gezahlten Prämien eigenständige ergänzungspflichtige Schenkungen darstellen können.