Leitsatz

Der Geschäftsführer einer GmbH hat die Pflicht, das Gesellschaftsvermögen zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller künftigen Insolvenzgläubiger zusammenzuhalten. Er verletzt diese Obliegenheit auch dann, wenn er bei Insolvenzreife der Gesellschaft Mittel von einem Dritten zu dem Zweck erhält, eine bestimmte Schuld zu tilgen, und kurze Zeit später dementsprechend die Zahlung an den Gesellschaftsgläubiger bewirkt.

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 15.9.1999 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der K-GmbH. Die Beklagten waren Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Die Bau- GmbH befindet sich seit dem 11.6.1999 in der Insolvenz. Aufgrund eines zwischen der Gemeinschuldnerin und der Bau-GmbH bestehenden Organschaftsverhältnisses hatte erstere Umsatz- und Gewerbesteuern zu entrichten. Zu diesem Zweck zahlte die Bau-GmbH als Organgesellschaft wenige Tage vor dem Fälligkeitstermin eine Summe in Höhe des geschuldeten Steuerbetrages auf das Konto der K-GmbH ein. Diese übergab anschließend einem Mitarbeiter der Bau-GmbH einen auf das genannte Konto bezogenen Scheck zur Weiterleitung an das Finanzamt. Bei Einlösung der Schecks durch die Steuerbehörden war somit sichergestellt, dass das Konto der Gemeinschuldnerin gedeckt war. Die Beklagten veranlassten zwischen dem 20.1.1999 und 21.4.1999 vier Zahlungen über insgesamt 433 308,40 DM. Der Insolvenzverwalter nahm sie, gestützt auf § 64 Abs. 2 GmbHG, auf Erstattung eines Teilbetrages von 330 000,00 DM in Anspruch. Nach seiner Auffassung war die K-GmbH bereits zum Jahresende 1998 überschuldet. Die Beklagten haben dies in Abrede gestellt und sich darauf berufen, dass sie sich auf eine vom Steuerberater am 12.4.1999 erstellte vorläufige Bilanz, die ein Eigenkapital von mehr als 1,8 Mio. DM ausgewiesen habe, hätten verlassen dürfen und deswegen jedenfalls ohne Verschulden die Zahlungen an die Steuerbehörden bewirkt hätten.

 

Entscheidung

Der BGH hat die Entscheidung der Vorinstanz, mit der die Klage abgewiesen worden war, aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen. Das OLG hatte argumentiert, bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise hätten die Leistungen an die Steuerbehörden nicht zu einer Masseschmälerung geführt. Zeitgleich mit den Auszahlungen seien nämlich dem Gesellschaftsvermögen die zweckgebundenen Einzahlungen der Bau-GmbH zugeflossen, mit denen diese den aufgrund des Organschaftsverhältnisses bestehenden Aufwendungsersatzanspruch der Gemeinschuldnerin vorab befriedigt habe. Der BGH lässt diese Auffassung nicht gelten.

§ 64 Abs. 2 GmbHG hat das Ziel, Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern. Auch soll die Norm für den Fall, dass der Geschäftsführer dieser Massesicherungspflicht nicht nachkommt, sicherstellen, dass das Gesellschaftsvermögen wieder aufgefüllt wird, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht. Dieser Zielsetzung des Gesetzes widerspricht es nach Auffassung des Senats, wenn man – wie die Vorinstanz – eine Masseverkürzung mit der Begründung verneinen will, dass die Gemeinschuldnerin zeitgleich mit der Zahlung von der Organgesellschaft eine entsprechend hohe Einzahlung erhalten hat. Hätten sich die Beklagten als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin normgerecht verhalten, dann wäre der als Vorleistung der Bau-GmbH dem Konto der Gemeinschuldnerin gutgeschriebene Betrag in deren Vermögen verblieben und hätte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger zur Verfügung gestanden. Das Finanzamt hätte sich im Streitfall mit einer Quote von rund 30 % der Forderung zufrieden geben müssen, statt zu Lasten aller anderen Gesellschaftsgläubiger volle Befriedigung zu erhalten. Auch die Bau-GmbH hätte sich wegen ihrer Vorauszahlung auf den künftig entstehenden Aufwendungsersatzanspruch wie alle anderen Gläubiger am Insolvenzverfahren beteiligen müssen. Nur dann, wenn mit den von dem Geschäftsführer bewirkten Zahlungen ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt und dort verblieben ist, kannman eine Masseverkürzung und damit einen Erstattungsanspruch gegen die Geschäftsführer unter Umständen verneinen, weil dann der Sache nach lediglich ein Aktivtausch vorliegt[1]. Im Urteilsfall hat die Bezahlung der Steuerschulden mit den auf dem Gesellschaftskonto vorhandenen Mitteln zu einer Masse verkürzenden vorrangigen Befriedigung der Steuergläubiger geführt, der kein im Gesellschaftsvermögen verbliebener Gegenwert gegenübersteht. Aus der Sicht des BGH ist vor einer endgültigen Entscheidung zu prüfen, ob die Leistungen an das Finanzamt im konkreten Fall mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbarwaren. Außerdem müssen der Zeitpunkt der Insolvenzreife sowie der Umfang des Ersatzanspruches noch konkretisiert werden. Diese weitere Aufklärung obliegt jetzt dem zuständigen OLG.

 

Praxishinweis

Nach allgemeiner Auffass...

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