Zusammenfassung
Der Umstand, dass eine Plananpassung kurz vor dem Bewertungsstichtag vorgenommen worden ist, stellt im Rahmen der Unternehmensbewertung für sich genommen keinen Grund dar, die Planungen grundsätzlich in Frage zu stellen.
Hintergrund
Die STEAG Hama Tech AG war ein weltweit führender Anbieter von Anlagen und Systemlösungen für die Hersteller optischer Speichermedien und für die Halbleiterindustrie, deren Aktien unter anderem an der Frankfurter Wertpapierbörse und im Handelssegment XETRA notiert waren. Nachdem ein neuer Investor im Jahre 2005 durch ein öffentliches Übernahmeangebot mehr als 87 % der Anteile übernommen hatte, gab die Gesellschaft im März 2006 bekannt, einen Beherrschungsvertrag mit der Investmentgesellschaft abschließen zu wollen. Die Hauptversammlung der Gesellschaft erteilte im Juni desselben Jahres ihre Zustimmung. Der Beherrschungsvertrag sah eine Ausgleichsleistung in Höhe von 0,17 EUR sowie eine Abfindung in Höhe von 2,55 EUR pro Aktie vor.
Einige Minderheitsaktionäre stellten einen Antrag auf gerichtliche Bestimmung eines angemessenen Ausgleichs und einer angemessenen Barabfindung im Wege des sog. Spruchverfahrens. Die Anträge wurden vom Landgericht Mannheim als unbegründet zurückgewiesen.
Das OLG Karlsruhe hatte somit über die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen die Entscheidung des Landgerichts zu entscheiden. Die Antragsteller machten unter anderem geltend, den Berechnungen des Unternehmenswertes liege eine anlassbezogene Planung zugrunde. Dies werde daran deutlich, dass die vom Wertgutachter seiner Unternehmensbewertung zugrunde gelegte Planung nur kurze Zeit nach der Auswechslung des Managements durch den neuen Investor noch angepasst worden sei. Bereinige man die Planung entsprechend, ergebe sich ein höherer Unternehmenswert und folgerichtig eine höhere Ausgleichszahlung und Abfindung an die Minderheitsaktionäre.
Die Einwendungen der Antragsteller blieben ohne Erfolg. Das OLG Karlsruhe hat entscheiden, dass eine Plananpassung kurz vor dem Bewertungsstichtag für sich genommen keinen Grund darstellt, die Planungen des Unternehmens grundsätzlich in Frage zu stellen. Da die Planung dem Stand am Bewertungsstichtag entsprechen müsse, könnten Anpassungen auch noch kurz vor diesem Bewertungsstichtag erforderlich sein. Es genüge, wenn die Planung für sich genommen plausibel seien. Ein Abgleich mit früheren Planungen sei nur dann für das Gericht obligatorisch, wenn die zuletzt vorgelegten Planungen für sich genommen nicht plausibel sind.
Unternehmensbewertungen anhand von Planungsrechnungen sind als prognostische Beurteilung notwendig unscharf. Daher sind nach der Rechtsprechung die in die Zukunft gerichteten Planungen und Prognosen der Gesellschaft nur einer eingeschränkten Überprüfung dahingehend zu unterziehen, ob sie auf zutreffenden Informationen basieren sowie plausibel und in sich widerspruchsfrei sind. Die Planung muss im Zeitpunkt der Unternehmensbewertung aus Sicht des Leitungsorgans die künftige Entwicklung zutreffend darstellen, was die Einbeziehung der neusten Entwicklungen erforderlich macht. Somit ist die Anpassung der Planung an neue Erkenntnisse im Vorfeld einer Unternehmensbewertung nicht per se unzulässig, sondern vielmehr vielfach geboten.
Allerdings wird das Gericht besonders dort kritisch hinsehen, wo Planungen anlassbezogen, d.h. gerade für Zwecke einer Unternehmensbewertung im Hinblick auf eine Strukturmaßnahme erstellt worden sind. Gelangt das Gericht zu der Überzeugung, dass die anlassbezogene Planung unzulässigerweise von der tatsächlichen Unternehmensplanung abweicht, wird es diese sog. Negativplanung korrigieren und die an die Minderheitsaktionäre zu leistenden Zahlungen nach oben korrigieren. Dabei ist nicht jede kurzfristige Plananpassung oder anlassbezogene Planung ein zwingendes Indiz für eine Negativplanung. Dies ist vielmehr an konkreten Elementen der Planung festzustellen. Die Prüfungsdichte – so nun das OLG Karlsruhe – hängt dabei auch davon ab, wie plausibel die anlassbezogene Planung an sich ist.
Der Beschluss illustriert, wie wichtig eine enge Abstimmung mit den wirtschaftlichen und rechtlichen Beratern bereits im Vorfeld eines Unternehmensvertrages ist. Gerade vor dem Hintergrund der momentanen Niedrigzinsphase, in der die gesetzlich vorgeschriebene Verzinsung der Abfindungszahlungen (derzeit 4,17% p.a.) für das herrschende Unternehmen besonders teuer und für einige Finanzinvestoren besonders attraktiv ist, sollten Unternehmen Reibungspunkte möglichst minimieren, um die Verfahren zügig zu beenden.