I. Trennung von Tisch und Bett
1. Voraussetzungen
Rz. 64
Durch Gesetz vom 21.5.1999 ist in das polnische Familienrecht das Rechtsinstitut der Trennung von Tisch und Bett (separacja) eingeführt worden (Art. 61/1–61/6 FVGB). Voraussetzung für den gerichtlichen Ausspruch der Trennung von Tisch und Bett ist – wie bei der Scheidung – eine vollständige Zerrüttung der ehelichen Gemeinschaft (Art. 61/1 § 1 FVGB); im Gegensatz zur Scheidung bedarf es jedoch keiner dauerhaften Zerrüttung. Die Trennung von Tisch und Bett darf nicht ausgesprochen werden, wenn durch sie das Wohl der gemeinsamen minderjährigen Kinder gefährdet wäre oder der Trennungsausspruch aus anderen Gründen den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zuwiderliefe (Art. 61/1 § 2 FVGB). Die Alleinschuld des Klägers an der Trennung gilt – anders als bei der Scheidung – nicht als Hindernis für einen Ausspruch der Trennung; wenn jedoch der nichtschuldige Ehegatte dem Trennungsbegehren des alleinschuldigen Ehegatten widerspricht, ist zu prüfen, ob dieses nicht den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zuwiderliefe.
2. Verfahren
Rz. 65
Begeht ein Ehegatte die gerichtliche Trennung, der andere Ehegatte die Scheidung, spricht das Gericht die Scheidung aus, wenn deren Voraussetzungen gegeben sind (Art. 61/2 § 2 FVGB). Eine spätere Scheidung nach Ausspruch der gerichtlichen Trennung ist möglich, wenn zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Scheidung deren Voraussetzungen vorliegen. Das Gericht entscheidet von Amts wegen über die elterliche Gewalt über gemeinsame minderjährige Kinder, über das Umgangsrecht, über den Kindesunterhalt und über die Nutzung einer gemeinsamen Wohnung (Art. 61/3 § 1 FVGB, Art. 58 FVGB).
3. Rechtsfolgen
Rz. 66
Nach Art. 61/4 § 1 FVGB hat die Trennung von Tisch und Bett grds. die gleichen Folgen wie eine Scheidung. Dies gilt jedoch nicht, sofern das Gesetz etwas anderes bestimmt. Die Unterschiede zur Scheidung sind folgende:
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Durch die Trennung wird das Eheband nicht aufgelöst, so dass ein in Trennung lebender Ehegatte keine neue Ehe eingehen kann; zudem bleiben bestimmte durch die Ehe begründete Pflichten aufrechterhalten (vgl. Art. 61/4 § 3 FVGB zur Beistandspflicht). |
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Die Unterhaltspflicht beurteilt sich grds. nach den Vorschriften über den nachehelichen Unterhalt gem. Art. 60 FVGB; die Beschränkung des Unterhaltsanspruchs gegen den nicht an der Zerrüttung schuldigen Ehegatten auf die Dauer von fünf Jahren nach Art. 60 § 3 FVGB gilt allerdings nicht (Art. 61/4 § 3 FVGB). |
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Durch die Trennung bestehen weiterhin (formal) güterrechtliche Rechtsbeziehungen zwischen den Ehegatten, es tritt allerdings Gütertrennung ein (Art. 54 § 1 FVGB). |
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Ein in Trennung lebender Ehegatte kann nicht seinen früheren Familiennamen nach Art. 59 FVGB annehmen (Art. 61/4 § 5 FVGB). |
Rz. 67
Obwohl das Eheband formal aufrechterhalten bleibt, bestehen jedoch Unterschiede zu verheirateten Ehegatten, die nicht von Tisch und Bett getrennt leben:
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In Trennung lebende Ehegatten können nicht gemeinschaftlich ein Kind adoptieren. |
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Die Ehelichkeitsvermutung für ein während der Ehe geborenes Kind gilt nicht, wenn das Kind nach Ablauf von 300 Tagen seit der Rechtskraft der Entscheidung des Gerichts über die Trennung geboren worden ist (Art. 62 § 1 FVGB). |
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In Trennung lebende Ehegatten verlieren wechselseitig das gesetzliche Erbrecht; dies gilt bereits für einen an der Trennung schuldigen Ehegatten, wenn der andere Ehegatte Klage auf Trennung eingereicht hat und zum Zeitpunkt des Todes die Klage begründet war (Art. 940 § 1 ZGB). |
4. Aufhebung der gerichtlichen Trennung
Rz. 68
Auf einvernehmliches Verlangen beider Ehegatten spricht das Gericht die Aufhebung der Trennung aus, ohne dass dafür eine Begründung gegeben sein muss (Art. 61/6 § 1 FVGB). Im Zeitpunkt der Aufhebung der Trennung erlöschen ihre Folgen (Art. 61/6 § 2 FVGB).
II. Scheidungsgründe
1. Zerrüttungsprinzip
Rz. 69
Einziger Scheidungsgrund ist die vollständige und dauernde Zerrüttung der Ehe (Art. 56 § 1 FVGB). Die Ehe ist zerrüttet, wenn die für die eheliche Gemeinschaft notwendigen Gefühle nicht mehr bestehen. Davon ist auszugehen, wenn die besonderen physischen, geistigen und wirtschaftlichen Bindungen der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr bestehen. An einem solchen Band zwischen den Ehegatten kann es auch dann fehlen, wenn die Ehegatten innerhalb der gemeinsamen Wohnung getrennt leben. Die Zerrüttung muss endgültig sein. Daran fehlt es, wenn noch einzelne Bindungen fortbestehen, sofern es sich nicht um rein wirtschaftliche Bindungen handelt. Dauerhaft ist die Zerrüttung, wenn mit einer Rückkehr zur ehelichen Gemeinschaft mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu rechnen ist. Die Dauer einer Trennung ist ein wichtiges Indiz. Bei kurzer Trennungszeit kann eine dauerhafte Zerrüttung gegeben sein, wenn die Trennung durch eine schwere Verfehlung der ehelichen Pflichten hervorgerufen wurde.