I. Abstammung

1. Vaterschaft

 

Rz. 132

Das polnische Recht kennt keine Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern. In erster Linie wird die Vaterschaft durch gesetzliche Vermutungen festgestellt (Art. 62 ff. FVGB). Besteht keine gesetzliche Vaterschaftsvermutung oder ist diese im Anfechtungsverfahren widerlegt, so kann die Vaterschaft nur durch Anerkennung des Kindes seitens des Vaters (Art. 72 ff. FVGB) und durch gerichtliche Vaterschaftsfeststellung (Art. 84 ff. FVGB) erfolgen (Art. 72 § 1 FVGB).

a) Vaterschaftsvermutung und Anfechtung

 

Rz. 133

Es wird vermutet, dass ein Kind von dem Ehemann der Mutter abstammt, wenn die Geburt während des Bestehens einer Ehe stattfand (Art. 62 § 1 S. 1 Alt. 1 FVGB). Dies gilt auch dann, wenn das Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit der Beendigung oder Nichtigerklärung einer früheren Ehe geboren wurde (Art. 62 § 2 FVGB). Ist das Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit Beendigung oder Nichtigerklärung der Ehe geboren und war die Mutter zu diesem Zeitpunkt wieder verheiratet, so gilt der zweite Ehemann der Mutter als Vater des Kindes (Art. 62 § 1 S. 1 Alt. 2 FVGB). Die Vermutungen nach Art. 62 § 1 S. 1 FVGB gelten nicht, wenn das Kind nach Ablauf von 300 Tagen seit der Entscheidung über die Trennung von Tisch und Bett geboren ist (Art. 62 § 1 S. 2 FVGB).

 

Rz. 134

Die Vaterschaftsvermutungen können nur durch Anfechtung der Vaterschaft in einem gerichtlichen Verfahren beseitigt werden (Art. 62 § 3 FVGB). Der Art. 71 FVGB, wonach die Anfechtung nach dem Tod des Kindes unzulässig war, wurde am 4.12.2013 durch Urteil des Verfassungsgerichtshofes[124] aufgehoben. Die Anfechtung der Vaterschaft erfolgt durch den Nachweis, dass der Ehemann nicht der Vater des Kindes ist (Art. 67 FVGB). Hinsichtlich der einzuhaltenden Fristen für die Anfechtung der Vaterschaft stellt das Gesetz unterschiedliche Anforderungen auf:

Der Ehemann der Mutter kann die Vaterschaft nur binnen sechs Monaten seit dem Tag anfechten, an dem er von der Geburt des Kindes durch seine Ehefrau Kenntnis erlangt, jedoch nicht mehr nach Erlangung der Volljährigkeit des Kindes (Art. 63 FVGB). Die Klage ist sowohl gegen das Kind als auch gegen die Mutter zu erheben. Ist die Mutter verstorben, so ist die Klage nur gegen das Kind zu erheben (Art. 66 FVGB). Die Anfechtung der Vaterschaft ist nicht zulässig, wenn das Kind durch einen medizinischen Eingriff, mit dem der Ehemann der Mutter einverstanden war, gezeugt wurde (Art. 68 FVGB).
Die Mutter kann die Vaterschaft innerhalb einer Frist von sechs Monaten seit der Geburt des Kindes gerichtlich anfechten (Art. 69 § 1 FVGB). Die Klage ist gegen den Ehemann sowie das Kind zu richten; ist der Ehemann verstorben, so ist die Klage nur gegen das Kind zu richten (Art. 69 § 2 FVGB).
Das volljährige Kind kann die Vaterschaft durch Klage gegen den Ehemann seiner Mutter und gegen die Mutter binnen einer Frist von drei Jahren nach Volljährigkeit erheben (Art. 70 § 1 FVGB). Ist die Mutter verstorben, so ist die Klage nur gegen ihren Ehemann zu richten. Ist nur dieser verstorben, so ist die Klage gegen den vom Vormundschaftsgericht zu bestellenden Pfleger zu richten (Art. 70 § 2 FVGB).
[124] Urteil des VerfGH vom 26.11.2013, P 33/12, GBl 2013, Pos. 1439. Formell gelten weiterhin ähnliche Beschränkungen aus anderen Vorschriften: Art. 61/15 FVGB (Ausschluss der Feststellung der Mutterschaft nach dem Tod des Kindes), Art. 83 § 1 FVGB (Ausschluss der Feststellung der Unwirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft nach dem Tod des Kindes), Art. 84 § 1 S. 2 FVGB (Ausschluss der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung nach dem Tod des Kindes). Die Entscheidung des VerfGH vom 26.11.2013 lässt sich auch auf diese Beschränkungen übertragen, vor allem wenn sie durch deutsche Organe der öffentlichen Gewalt, die kein Verfahren vor dem poln. VerfGH initiieren könnten, anzuwenden wären.

b) Vaterschaftsanerkennung

 

Rz. 135

Besteht keine gesetzliche Vaterschaftsvermutung oder ist diese im Anfechtungsverfahren widerlegt, so kann – sofern kein Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft anhängig ist (vgl. Art. 72 § 2 FVGB) – die Vaterschaft anerkannt werden.[125] Die Vaterschaftsanerkennung erfolgt durch Erklärung vor dem Leiter des Standesamtes oder vor dem Vormundschaftsgericht (Art. 73 FVGB). Ist der anerkennende Mann nicht voll geschäftsfähig, so kann er die Erklärung nur vor dem Vormundschaftsgericht abgeben (Art. 77 § 2 FVGB). Im Ausland erfolgt die Anerkennung vor einem polnischen Konsul oder einer zur Ausübung der Funktion eines Konsuls bestimmten Person, wenn die Anerkennung ein Kind betrifft, bei dem zumindest ein Elternteil die polnische Staatsangehörigkeit besitzt (Art. 73 § 4 FVGB). Sofern unmittelbare Lebensgefahr für den Vater oder das Kind besteht, kann die Anerkennung des Kindes auch vor einem Notar erfolgen (Art. 74 § 1 FVGB). Über die Entgegennahme der Anerkennungserklärung ist ein Protokoll anzufertigen. Die Vaterschaftsanerkennung kann vor oder nach der Geburt des Kindes erfolgen (vgl. Art. 75 § 1 FVGB). Die Anerkennung der Vaterschaft ist nur möglich, wenn das Kind noch minderjä...

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