Slawomir Lakomy, Jakub Müller-Judenau
Rz. 96
Hinterlässt ein verstorbener deutscher Staatsangehöriger ein in Polen gelegenes Vermögen, so ist Kontakt mit dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Polen aufzunehmen. Dieses wird den deutschen Staatsangehörigen, die über das hinterlassene Vermögen verfügen wollen, Hilfe leisten.
Rz. 97
Zur Erlangung des Erbscheins für einen in Polen verstorbenen deutschen Staatsangehörigen soll man an das Amtsgericht an dem Ort, an dem der Verstorbene wohnhaft war, einen entsprechenden Antrag stellen. Dem Antrag sind die Sterbeurkunde des Erblassers und die Geburtsurkunden der Erben beizulegen. Personen, die ihren Familiennamen anlässlich der Eheschließung geändert haben, haben dem Antrag auch die Heiratsurkunde beizulegen. Alle Unterlagen sind in Original vorzulegen. Sind sie in einer anderen als der polnischen Sprache angefertigt, so ist auch eine beglaubigte Übersetzung vorzulegen. An das Gericht soll man keine Ablichtungen übersenden, weil diese nicht als Dokumente anerkannt werden können.
Rz. 98
Im Antrag auf Erbscheinerteilung sind die Namen und die Wohnanschriften aller Verfahrensbeteiligter anzugeben. Beteiligte am Nachlassverfahren sind – auch wenn testamentarische Erbfolge eintritt – alle gesetzlichen Erben des Verstorbenen. Meistens sind dies die Kinder und der Ehegatte des Verstorbenen. Hat der Verstorbene keine Kinder hinterlassen, sind seine Geschwister Erben. Abschriften der Standesamtsurkunden dieser Personen sollen in diesem Fall dem Gericht ebenfalls vorgelegt werden. Die Gerichte verfügen sehr oft über entsprechende Formulare, auf denen der Antrag auf Erteilung des Erbscheins auszufüllen ist. Der Antrag auf Erbscheinerteilung muss von einer dem Kreise der Erben angehörenden Person unterzeichnet werden.
Rz. 99
Beim Verfahren zur Feststellung des Erbschaftserwerbs ist es nicht zwingend notwendig, einen professionellen Bevollmächtigten zu bestellen. In dieser Hinsicht gibt es in Polen keinen Rechtsanwalts- bzw. Rechtsberaterzwang. Man darf natürlich dabei nicht vergessen, dass den deutschen Erben, die der polnischen Sprache nicht mächtig sind, ein vereidigter Dolmetscher der deutschen Sprache gesichert werden soll.
Rz. 100
Gibt es mehrere Erben, die den Nachlass übereinstimmend unter sich verteilen wollen, sollen die Familienangehörigen des verstorbenen Ausländers einen Notar aufsuchen. Im Beisein des Notars wird ein entsprechender Vertrag unterzeichnet, aufgrund dessen die Erben ihre Vermögensangelegenheiten (Erbteilung) regeln. Ein diesbezüglicher Vertrag ist insbesondere dann erforderlich, wenn in Polen gelegene Immobilien Bestandteil des Nachlasses sind. Die Erben haben auf Verlangen des Notars sowohl eine Abschrift des Beschlusses über die Erteilung des Erbscheins als auch eine Bescheinigung darüber vorzulegen, dass sie die fällige Erbschaftsteuer entrichtet haben, oder darüber, dass sie von der Entrichtung dieser Steuer befreit sind.
Rz. 101
Oft kommt es vor, dass es unter den Familienangehörigen des ausländischen Erblassers keine Übereinstimmung gibt, wie das Nachlassvermögen aufgeteilt werden soll. In diesem Fall ist für die Entscheidung des Streits ein Gericht zuständig. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass nur bei einer übereinstimmenden Akzeptanz die Erbschaftsangelegenheiten schnell und reibungslos erledigt werden können. Ansonsten entstehen viele unnötige Probleme.
Rz. 102
Seht dem polnischen Gericht keine Gerichtsbarkeit zu, den Nachlass nach einem verstorbenen Ausländer abzusichern, sichert das Gericht gem. Art. 1139 § 1 ZPO den Nachlass selbst und übernimmt die Eröffnung und Bekanntmachung des Testaments. Darüber wird auch ein zuständiger Konsul in Kenntnis gesetzt. Der Konsul kann am Verfahren teilnehmen. Den zuständigen Organen des Staates, dessen Staatsangehöriger der Erblasser war, kann auf Verlangen eine Abschrift des Testaments und des Protokolls der Eröffnung und der Bekanntmachung erteilt werden. Unter der Bedingung der Gegenseitigkeit kann das Original des Testaments zur Verfügung gestellt werden, wenn keine weiteren gesetzlichen Schritte in Polen mehr vorgesehen sind (Art. 1139 § 2 ZPO). Das Gericht wird in dem für die Bekanntmachungen über die Ladung der Erben vorgesehenen Verfahren anordnen, dass die Erben und die Gläubiger des Erblassers innerhalb von drei Monaten ihre Rechte unter Angabe von Gründen anmelden. In der Bekanntmachung ist auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers hinzuweisen. Diese Bekanntmachung ist dem zuständigen Organ der Finanzverwaltung und dem zuständigen Konsul zuzustellen (Art. 1140 ZPO).
Rz. 103
Sollte sich in der o.g. Frist (Rdn 102) kein Erbe gemeldet haben, wird das Nachlassgericht gem. Art. 1141 § 1 ZPO eine Entscheidung über die Herausgabe des beweglichen Vermögens des Erblassers an den zuständigen Konsul treffen. Andernfalls wird ein neuer Termin festgesetzt, zu dem alle Interessenten zu laden sind. Nach Anhörung der Erschienenen wird das Gericht einen Beschluss über die Sicherung der angemeldeten und nachgewiesenen Rech...