Slawomir Lakomy, Jakub Müller-Judenau
1. Pflichtteilshöhe und Pflichtteilsergänzung
Rz. 56
Den Abkömmlingen, dem Ehegatten sowie den Eltern des Erblassers, die gesetzliche Erben sein würden, stehen, wenn der Berechtigte dauernd arbeitsunfähig oder wenn ein berechtigter Abkömmling minderjährig ist, zwei Drittel des Wertes des Erbteils, der ihnen im Falle der gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre, und in anderen Fällen der halbe Wert dieses Erbteils zu (Art. 991 § 1 ZGB). Hat der Berechtigte den ihm zustehenden Pflichtteil weder in Gestalt eines ihm vom Erblasser gemachten Geschenks noch in Gestalt einer Berufung zur Erbschaft oder in Gestalt eines Vermächtnisses oder einer Leistung der Familienstiftung oder in Form des Vermögens im Zusammenhang mit der Auflösung der Familienstiftung erhalten, so steht ihm gegenüber den Erben ein Anspruch auf Zahlung des zur Deckung des Pflichtteils oder zu seiner Ergänzung erforderlichen Geldbetrags zu (Art. 991 § 2 ZGB). Der Pflichtteil ist daher wie im deutschen Recht als Geldanspruch ausgestaltet.
Rz. 57
Die Ergänzung des Pflichtteils (Art. 1000 ZGB) findet statt, wenn der Berechtigte den ihm zustehenden Pflichtteil vom Erben oder von der Person, zugunsten derer ein Vindikationsvermächtnis angeordnet wurde, nicht erlangen kann. In einer solchen Situation kann der Berechtigte von einer Person, die vom Erblasser eine dem Nachlass hinzugezählte Schenkung erhalten hat, den zur Ergänzung des Pflichtteils erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Beschenkte ist zur Zahlung des vorgenannten Betrags nur innerhalb der Grenzen der Bereicherung, die die Folge der Schenkung ist, verpflichtet. Wenn der Beschenkte selbst pflichtteilsberechtigt ist, so haftet er anderen Pflichtteilsberechtigten gegenüber nur bis zur Höhe des seinen eigenen Pflichtteil übersteigenden Überschusses. Durch die Herausgabe des Schenkungsgegenstands kann sich der Beschenkte von der Verpflichtung zur Zahlung des zur Ergänzung des Pflichtteils erforderlichen Betrags befreien.
2. Familienstiftung
Rz. 58
Mit dem Gesetz vom 26.1.2023 über Familienstiftung (Gesetzblatt von 2023, Pos. 326 mit Änderungen) wurden auch einige Erbschaftsvorschriften des ZGB geändert. Die mit diesem Gesetz in das polnische Rechtssystem eingeführte Familienstiftung ist erbfähig (Art. 927 § 3 ZGB) und das Gründungskapital und das mit der Auflösung der Familienstiftung zusammenhängende Vermögen sind bei Feststellung des Pflichtteils zu verrechnen (Art. 993 §§ 2 und 3 ZGB).
Rz. 59
Die Einführung der Familienstiftung ist auch der Grund für eine wesentliche Änderung des Art. 1000 ZGB, der mit entsprechenden Vorschriften über die Verrechnung des Familienstiftungsvermögens ergänzt worden ist.
Wenn der Berechtigte nicht den ihm zustehenden Pflichtteil von dem Erbe oder von der Person, zu deren Gunsten das Vindikationsvermächtnis ausgesetzt wurde, erhalten kann, kann er von der Familienstiftung, deren Gründungskapital der Erbschaft angerechnet wurde, die Geldsumme verlangen, die zur Ergänzung des Pflichtteils notwendig ist. Allerdings ist die Familienstiftung nur innerhalb der Grenzen der Bereicherung, die eine Folge der Deckung des Gründungskapitals durch den Erblasser ist, verpflichtet (Art. 1000 § 4 ZGB).
Auch wenn der Berechtigte nicht den ihm zustehenden Pflichtteil von dem Erben oder von der Person, zu deren Gunsten das Vindikationsvermächtnis ausgesetzt wurde, erhalten kann, kann er von der Familienstiftung, deren Gründungskapital der Erbschaft angerechnet wurde, die Geldsumme verlangen, die zur Ergänzung des Pflichtteils notwendig ist. Allerdings ist die Person, die im Zusammenhang mit der Auflösung der Familienstiftung das Vermögen erhalten hat, zur Auszahlung der obigen Summe nur innerhalb der Grenzen der Bereicherung, die eine Folge der Deckung des Gründungskapitals durch den Erblasser ist, verpflichtet (Art. 1000 § 5 ZGB).
Ist die Person, die das Vermögen im Zusammenhang mit der Auflösung der Familienstiftung erhalten hat, selbst pflichtteilsberechtigt, haftet sie gegenüber anderen Pflichtteilberechtigten nur bis zur Höhe des ihren eigenen Pflichtteil übersteigenden Überschusses (Art. 1000 § 6 ZGB).
Die Person aber, die im Zusammenhang mit der Auflösung der Familienstiftung das Vermögen erhalten hat, kann sich von der Zahlungspflicht der zur Ergänzung des Pflichtteils erforderlichen Summe durch die Herausgabe dieses Vermögens befreien (Art. 1000 § 7 ZGB).
Rz. 60
Auch Art. 1001 ZGB wurde bezüglich der Familienstiftungsvorschriften ganz neu verfasst.
Unter mehreren Beschenkten haftet der früher Beschenkte entsprechend den Vorschriften des vorstehenden Artikels nur dann, wenn der Pflichtteilberechtigte die Ergänzung des Pflichtteils von der Person nicht erlangen kann, die später beschenkt worden ist (Art. 1001 § 1 ZGB).
Unter den Personen, die das Vermögen im Zusammenhang mit der Auflösung der Familienstiftung erhalten haben, haftet die das Vermögen früher erhaltende Person gemäß den Bestimmungen des vorigen Artikels nur dann, wenn der Pflichtteilberechtigte keine Ergänzung von der Person erhalten kann, die das Vermögen später erhalten hat (Art. 1001 §...